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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Donnerwetter.
    Sein roter, praller kleiner Mund zitterte vor Verblüffung, etwas beleidigt, etwas gereizt.
    Herrgott, betete er, hast du ein schönes Pimmelchen.
    Seine Stimme klang, als käme sie von einer dritten Person, sie sang, fistelte, trillerte.
    Sein überraschter Ausruf berührte mich, bis dahin hatte ich nie gedacht, dass man einen schönen haben konnte, am wenigsten ich selbst. Als wenn er das gar nicht mir, sondern jemandem, der mir glich, einem Dritten gesagt hätte, der vielleicht hinter meinem Rücken stand, oder als meinte er es nicht, als wäre es bloße Schmeichelei. Aus dem Dickicht kam ein Knacken, das mir bewusst machte, dass wir längst nicht allein waren, dass man das alles mithörte, mit ansah.
    Er seinerseits erwiderte mein Vertrauen nicht, ja, er nahm das Knacken zum Vorwand, den seinen rasch zu verstecken.
    Es ging zu schnell. Schon trat er, an seinem Hosenschlitz knöpfend, hinter dem Gebüsch hervor. Die Bewegung verriet, dass er ein blöder kleiner Betrüger war, dem der Schwanz gar nicht gestanden hatte.
    Der hätte sich in hartem Zustand nicht so rasch versorgen lassen.
    Er flüsterte mir ins Gesicht, wir sollten da rasch weg.
    Sein Atem war süß wie der eines Säuglings von der Muttermilch. Diese dämlichen Schwulen würden uns nicht in Ruhe lassen, ich könne es ja hören, Scheißpack, was sie sind. Auch ich hätte gern rasch meinen Schwanz versorgt, aber das war schon schwieriger. Er wollte nach ihm greifen, während er mir süß in den Mund flüsterte, aber das ließ ich nicht zu.
    Die sind so eifersüchtig, weißt du. Die wollen immer gerade den von jemand anderem. Er lachte.
    In seiner Art war etwas Explosives, Fröhliches, Spielerisches. Bestimmt, sagte er, kenne ich diesen Mistkerl aus Újpest, diesen oberdämlichen Schwulen, der meint, er sei der Platzhirsch, den Pisti. Auch jetzt sei bestimmt der hinter uns her, verdammt, jetzt komm schon, der will uns trennen. Der will dauernd von allen einen geblasen kriegen, aber meinst du, er würde je mal kommen.
    Echt nie, verstehst du, sagte er empört, mit niemandem.
    Er fragte, ob ich etwas habe zum Hingehen. Ich verstand das zuerst gar nicht, ich kämpfte immer noch mit meinem Hosenschlitz. Antwortete also nicht.
    Denn er habe nichts, wohin er gehen könnte, er habe bloß Urlaub. Na ja, seine Großmutter wohne in Pestimre, aber da könnten wir nicht hin, sogar wenn es um diese Zeit noch eine Straßenbahn gäbe. Seine Großmutter habe schon längst alles gemerkt, was auch nicht schwer gewesen sei, da sie ihn einmal mit einem seiner Kumpels erwischt habe, und er fügte rasch hinzu, mit ihm könne ich alles, aber auch wirklich alles machen, was ich sonst mit den Mädchen tue.
    Ich starrte ihm verblüfft ins Gesicht, auf seine Lippen, woher konnte der wissen, was ich mit den Mädchen tat, wenn überhaupt.
    Deshalb sei er lieber in Mohács, weil man dort bis zur oberen Sandbank gehen kann, oder jemand nimmt einen gleich schon von der alten Kalkbrennerei mit. Seine Großmutter habe mehrmals einen Riesenkrach geschlagen, herumgedroschen, alles zerteppert. Viele solcher Kräche wolle er nicht, schon wegen der Nachbarn, die das alles mitbekommen, und auch wegen des alten Mädchens, das außer ihm niemanden habe. Ich müsse es verstehen.
    Er wieherte unerwartet in seine Rede hinein, er brauche doch das alles gar nicht zu erzählen, es gebe ja um diese Zeit sowieso keine einzige Dreckstraßenbahn, die nach Pestimre hinausfahre. Wir könnten zu Fuß hin, aber bis wir dort sind, wäre auch schon sein Urlaub abgelaufen.
    Aus irgendeinem Grund fand er auch das unwiderstehlich lustig.
    Ich stand hier mitten in der Frühsommernacht mit einem wildfremden Menschen, aus dem fröhlich Sätze sprudelten, während ich ihm kein Wort glaubte. Nicht weil er gelogen hätte, das tat er nicht. Das Unglaubliche war, dass er mich überzeugte, und ich ihn doch würde abweisen müssen.
    Wie sich in dieser Frühsommernacht herausstellte, glaubte ich einfach nicht, dass das mein Leben sein sollte, oder dass ein so seltsames Wesen etwas mit einem meiner Leben zu tun haben, dass ich mit ihm irgendetwas teilen oder ihn in das eine meiner Leben einbeziehen könnte, mitsamt seiner Großmutter, ohne dass er das andere meiner Leben störte. Aber es war auch nicht vorstellbar, und auch moralisch nicht akzeptabel, wenn ich diesen vertrauensvollen Menschen im nächsten Augenblick sitzenließ. Um ehrlich zu sein, so jemand war mir alles in allem zu viel. Und auch wenn ich

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