Parallelgeschichten
Flottillenhafen an, wie die andern, sondern beim Dingsplatz.
Also, bei irgend so einem Platz.
Den finde er von überallher, aber seinen blöden Namen vergesse er immer.
Mir tat dieser Mensch so leid, dabei konnte auch ich nirgendhin, das war die Wahrheit. Ich hätte einsehen müssen, dass ich in der Stadt, wo ich geboren war, keinen Ort hatte.
Ich fragte, ob es der Bem-Platz sei.
Nein, der doofe Platz ist auf der Pester Seite.
Unsere Schritte knirschten nebeneinanderhin, was nicht nur zu laut war, sondern auch sinnlos, völlig sinnlos.
Dann vielleicht am Belgrád-Kai.
Nicht ganz, dort legen die zivilen Schiffe an, weißt du.
Dann beim Dimitrov, sagte ich gereizt, am Vigadó-Platz.
Ich hasste den schwarzen Kies unter meinen schmutzigen Schuhen, und all den Blödsinn, den wir da zusammenredeten.
Dimitrov, das sei wie beim Kreuzworträtsellösen. Kommunistischer Märtyrer, müsse er immer gleich denken, er lachte. Acht Buchstaben. Die habe er auch schon gezählt, um den Namen des Platzes nicht zu vergessen, und dann vergesse er diesen Scheißmärtyrer doch immer wieder. Den Füles kaufe er jede Woche.
Dann wurde er ernst.
Löst du auch Kreuzworträtsel, fragte er mit einem Mal.
Ich antwortete nicht, spürte aber die wahnsinnige Beflissenheit, die Sehnsucht nach Hingabe, die aus seinem Körper zu mir herüberströmten.
Er versuchte es auf alle Arten, umschnurrte mich mit Worten und Gesten.
Eigentlich benahm er sich wie ein normaler, liebenswerter Mensch.
Der Nichtnormale war ich, ich hatte mein Lebtag noch kein Kreuzworträtsel gelöst, und er wusste noch nicht, dass es an mir nichts zu lieben gab.
Er war zart, anschmiegsam und seidig, er modelte jede seiner Gesten um und wandte sie mir zu und konnte bei mir doch nichts erreichen. Mich beschäftigte noch, warum er seinen Schwanz so schnell versteckt hatte, und wie der wohl aussehen mochte. Und dass ich in seinen Augen mit dem meinen in der unbegreiflichen Hierarchie der Nacht einen Ehrenplatz eingenommen hatte. Aber es war sinnlos, völlig sinnlos, dass ich an einem so fremden Ort mit einem so überaus törichten Menschen knirschenden Schrittes dahinging. Diese bedrückende Tatsache war stärker als die Neugier. Ich wollte nicht unsere Schritte gemeinsam knirschen hören. Linker Hand öffnete sich ein Pfad zwischen den Bäumen, der mich ins Dickicht hätte zurückführen können, wo ich vielleicht den älteren Mann mit seinem schnurrbärtigen Gehilfen wiedergefunden hätte, den Riesen. Ich weiß nicht, was ich von ihm erwartete, bestimmt hatte auch der ein Leben voller Widerwärtigkeiten.
Und weiter weg war die asphaltierte Promenade, die auf zivilisierte Art ins Innere der Insel geführt hätte, wo ich endlich hätte trinken und urinieren können, doch bis dorthin hätte ich diesen plappernden kleinen Idioten nicht ausgehalten. Eher rechnete ich mir aus, dass ich ihn bei der gründlich zertrampelten, zerzausten Abzweigung zum Pfad mit einer einzigen raschen Drehung stehenlassen würde.
Ich floh vor ihm, ohne ein Wort zu sagen, mir fiel nichts ein. Nach einer solchen Bekanntschaft fehlten die Worte für einen Abschied, es stand keine Formel zur Verfügung. Ich rannte fast zu dem unter den Sohlen knallenden Pfad, wo die Lichter der Gaslaternen noch durchdrangen.
Er folgte mir.
Seine Arglosigkeit ließ sich nicht missverstehen.
Ich machte noch ein paar Schritte, drehte mich dann nach ihm um, eigentlich in der Absicht, ihm ohne Umschweife zu sagen, was ich dachte. Vor meiner wahnsinnigen Wut zuckte er wirklich zurück. Fast prallten unsere Körper zusammen, er war etwas kleiner als ich. Er starrte mich mit seinem strahlenden Kinderblick an, als sei er zu allem bereit, als würde er mir zuliebe alles tun. Für mich selbst unerwartet, umarmte ich ihn, er heftete sich mir an wie ein Saugnapf, und auch ich klebte mich mit meinem ganzen unwilligen Körper an ihn. Ein riesiger Seufzer entrang sich ihm, gefolgt von befreiten kurzen Seufzern und Wimmerlauten. Unsere Lenden mit ihrer Wärme lagen zwar nicht direkt aufeinander, aber ich meinte, am Oberschenkel etwas zu spüren. Ich heftete meine Lippen an seinen Hals, an seinen kindlich flaumigen Nacken, auch ich fast wie jemand, der endlich gefunden hat. Wie gern hätte ich jemanden gefunden. Etwas oberhalb seines Schambeins musste er an seinem Bauch meinen von den Knöpfen des Hosenschlitzes zurückgehaltenen Schwanz spüren.
Ich sehnte mich nach der Wärme seines Geschlechts, oder danach, dass er ihn
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