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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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unbegründete Schweben der Wohnung mit den Sohlen geprüft und versucht, es auf den Boden zu holen oder wenigstens zu erfassen, er stampfte, trampelte herum.
    Trampelte auf dem qualitativ hervorragenden und anständig verlegten Parkett, wollte deutlich spüren, woher das Schwebegefühl kam. Er horchte aufs Haus, wie sich die Geräusche verhielten, horchte sozusagen die Herztöne des Gebäudes ab, lauschte auf den Widerhall, das Zittern der Wasserleitungen, das Gurgeln der Regenrinnen. Er rief in alle Richtungen. Es klang unangenehm. Der im Übrigen hübsche Glaszylinder des Treppenhauses wirkte wie ein Hörrohr, verstärkte brutal jedes Geräusch, zog einzelne Töne in die Länge oder wiederholte sie mehrmals. In den Wohnungen selbst nahm die kalte Eisenbetonstruktur wegen der schludrigen Abmessungen, der minderwertigen Materialien und der mangelnden Abdichtungen die Geräusche auf und strahlte sie in Form unmerklicher Vibrationen wieder ab. Aus diesem Grund fehlten den Innenräumen Abgeschlossenheit und Wärme, vermittelten sie kein Gefühl von Geborgenheit.
    Wer hier lebte, war Irritationen ausgesetzt, mit denen er nicht umgehen konnte. Ein Gebäude kann eine Menge Eigenschaften haben, die man zwar spürt, sich aber doch nicht bewusstmacht, man meint, die vielen unabweisbaren Gereiztheiten seien ein Produkt des eigenen Innenlebens.
    Wäre die Decke bloß zwanzig Zentimeter höher gewesen, die Trennwände, sagen wir, dreißig Zentimeter weiter voneinander entfernt, hätte sich der Schallraum nicht mehr so unangenehm bemerkbar gemacht. Architekt und Bauherren hatten das Verhältnis von Innen und Außen nicht aufeinander abgestimmt, vieles war grundlegend unproportioniert. Sie hatten das Prinzip der Funktionalität nur angewandt, um ihre Kleinkariertheit und Gewinnsucht zu vertuschen, was Madzar gänzlich in Rage brachte.
    Proportionslosigkeit war hier als unantastbare Realität postuliert.
    Eine unverantwortlichere architektonische Aussage konnte sich Madzar nicht vorstellen.
    Das Licht war das Einzige, das etwas taugte. Ein starkes, verstärktes Licht, dessen Quellen nichts Geheimnisvolles hatten, wenn man sich nur ein wenig in der Gegend umschaute. Das direkte Licht vermischte sich mit zwei indirekten Lichtquellen, was zu einer unwahrscheinlichen, irrealen Gesamtwirkung führte. Da hätte Madzar ansetzen können. Und vermochte es doch nicht, denn auch dabei wäre er sich bloß vorgekommen wie jemand, der aus einem diffusen Notzustand das Beste macht.
    Die Frage blieb offen, ob man ungestraft eingreifen durfte. Nur eben, das Licht war gut, aufregend, darauf hätte er nicht gern verzichtet.
    Zu dieser Arbeit fühle ich mich einfach nicht berufen, sagte er trocken zu Frau Szemő.
    Und ehrlich gesagt, interessiert mich diese ganze seelische Kargheit, dieser schon verwurzelte Dauernotstand nicht sehr.
    Not my cup of tea.
    Das sind Bedingungen, mit denen ich mich ungern befasse und nicht viel anfangen kann.
    Da lassen Sie wohl lieber die Finger davon, bemerkte sie leise und spitz.
    Unbedachte Eingriffe haben natürlich immer ihre spezifischen Gefahren.
    Da mögen Sie recht haben, erwiderte der Architekt, als wäre er geübt, Grenzüberschreitungen abzuwehren. Ich greife ungern in Fremdes ein, das ist wahr. Aber es hat nicht viel zu bedeuten, da ich kein Risikogefühl habe.
    Oh, da bagatellisieren Sie aber, fuhr Frau Szemő hartnäckig fort. Doch verstehen Sie mich nicht falsch, meinetwegen können Sie der Aufgabe auch ausweichen, ich möchte Sie zu nichts überreden. Oder vielmehr, ich wäre unfähig dazu.
    Was den Mann erröten ließ.
    Er konnte sich der schamlosen Art der Frau nicht völlig entziehen.
    Vielleicht verstehen Sie, sagte er, mittlerweile noch kühler, dass es nicht um meinen Egoismus geht. Ich kann gänzlich unbereinigte Situationen nicht einfach bereinigen.
    Natürlich, verstehe ich völlig.
    Ich kann nicht nachträglich hineinstochern, der Bau ist abgeschlossen, ich kann da nichts mehr korrigieren. Ich arbeite mit Material, das ist alles, mit kaltem Material, aber es sind doch nicht einfach Hüte oder Kleider, die man nach Belieben neu zuschneiden oder abändern kann. Was in einem Gebäude auch noch steckt, Ordnungsprinzipien, Zeitgeist, und was sonst, ist bei weitem nicht so beweglich wie die Seele.
    Er wurde rot vor Wut.
    Wie kam diese verwöhnte Dame dazu, so bissige Bemerkungen zu machen.
    Sein plebejisches Selbstbewusstsein wehrte sich. Seine auffällig glatte, weiße Haut hatte an sich schon eine

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