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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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hatte.
    Beide trugen denselben Mantel und Hut wie am Vormittag. Die Zeit war nicht vorgerückt, nichts hatte sich verändert. Madzar wollte etwas sagen, aber das Wort blieb auf halbem Weg stecken. Aus irgendeinem Grund hatte die Frau seine Schritte nicht gehört. Sie stand in größter Aufmerksamkeit erstarrt, aber es war nicht ersichtlich, was sie sah. Sie blickte hinaus, in den Dämmerungshimmel, aber offensichtlich horchte sie nach innen. Von diesem Anblick, der eher befremdend als erregend war, zuckte Madzar förmlich zurück.
    Die Frau merkte immer noch nicht, dass man sie überrascht hatte.
    Es würde ein hysterischer Ausbruch daraus, diese Frau würde ihn erschreckend lieben, um sich schlagen, toben, es wäre wie ein Dammbruch, dachte er, sie würde ihn wegschwemmen.
    Am Nachmittag im Britannia hatte er sich zu befriedigen versucht, um es rasch zu vergessen und sich auf die Arbeit zu konzentrieren, aber es war nicht gelungen, er konnte sich nur befriedigen, wenn er sich dabei niemanden vorstellte. Noch nie, dachte er, hat jemand diese Frau erweckt, das darf man auch nicht.
    In dem Augenblick wandte sich Frau Szemző langsam dem Mann zu, nur gerade mit dem Kopf, und ein komischer, verzweifelter Ruf entfuhr ihnen.
    Verzeihung, ich wollte Sie nicht erschrecken, rief der Mann.
    O Gott, was wollen Sie um diese Zeit hier, stöhnte die Frau, als sie nach dem ersten Schock wieder zu Atem kam.
    Ich verrichte meine Arbeit, und so habe ich eine Erklärung parat, sagte der Mann, der es jetzt mit Leichtigkeit und Lächeln versuchte, sagen Sie mir lieber, was Sie hier tun.
    Ich wollte etwas nachprüfen, ich habe nämlich gemerkt, dass Sie recht haben, ich wollte sehen, ob es wirklich so ist, dass Sie hier nichts machen können.
    Sie werden lachen, meine Wankelmütigkeit lächerlich finden, aber inzwischen habe ich meine Meinung geändert.
    Ich stelle dann das Sofa dorthin, und hier irgendeinen Schreibtisch, und fertig. Es war bloß einfach so eine Idee, dass wir uns zusammen etwas einfallen lassen könnten.
    Der Mann wusste darauf nichts zu erwidern.
    Wissen Sie, in mir steckt eine verhinderte Künstlerin, und deshalb habe ich immer anstelle von substanziellen Lösungen halb ausgegorene ästhetische Ideen, fuhr die Frau fort, als wolle sie die Form wahren, wobei sie sich selbst durchschaute. Doch ausnahmsweise dachte ich jetzt nur, dass wir die Seelenkunde aus dem schwülen Dämmer herausholen und wenn nicht an die Sonne, wohin sie nicht gehört, weil sie dort erblindet, so doch in den Halbschatten, an die Luft bringen könnten. Im Prinzip wäre das doch eine schöne und edle Vorstellung.
    Wieso redet die so selbstironisch.
    So viel müssen Sie mir zugestehen.
    Im Gegenteil, wehrte der Mann ab, ich räume bereitwillig ein, dass ich am Vormittag Unsinn geredet habe. Zu meiner Rettung möge gesagt sein, dass ich mit Hilfe dieser hartnäckigen Torheiten mich etwas nähern konnte; er wollte sagen, dass er sich ihr nähern konnte, dass ich mich Ihnen etwas nähern konnte, aber es gelang ihm, das Wort zu verschlucken. Er verstummte. Er hatte den Eindruck, die Frau verstehe ihn trotzdem genau. Jetzt verstehe ich die Art Ihrer Arbeit besser, sagte er unsicher. Sie können ja Ihre Patienten nicht meinetwegen verlassen oder irgendwohin mitnehmen.
    Seine heftige Leidenschaft machte aus dem Satz ein unwillkürliches Geständnis.
    Eine verlegene Stille entstand.
    Als würde er sich jetzt bewusst, dass er diese Frau nicht nach Amerika mitnehmen konnte.
    Obwohl ihm bis dahin gar nicht eingefallen war, sie mitnehmen zu wollen.
    Das Begehren ließ sich nicht unterdrücken. Seit Wochen versuchten sie dauernd, von der Arbeit zu reden, und was sie am Ende aussprachen, hatte doch immer eine andere Bedeutung. Höchstens konnte er sich darauf herausreden, dass er missverständlich formulierte.
    Bestimmt wird auch das eine Enttäuschung werden, dieser ganze amerikanische Traum, fuhr er fort, denn auch dort werde ich wahrscheinlich nicht die architektonisch saubere Situation vorfinden, von der ich jetzt phantasiere, fügte er hastig und unsicher hinzu.
    Was in der leeren Dämmerung auch wieder nur bedeutete, dass er wegen der Frau ja auch dableiben könnte.
    Ich hingegen, Frau Szemző beeilte sich, dem Mann aus der peinlichen Lage zu helfen, habe eingesehen, dass unser beider Utopie zwar gleicher Art ist, gleich aufgebaut, aber mit anderem Material, und das darf man nicht vergessen. Ich kann meine Probleme nicht anderswohin verpflanzen, darf es

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