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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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abgehackte, fuchtelnde Bewegungen, ihre Wut trieb sie an, behinderte sie aber auch. Was für ein Pack, sagte sie halblaut zu sich, was für ein elendes, rücksichtsloses Pack. Der Vorwurf galt nicht so sehr diesen dreien als vielmehr ihrem Sohn, der sich zu diesem Zeitpunkt gar nicht in der Wohnung befand.
    Er plauderte gerade im geheizten Glaskorridor des Lukács-Bads mit seinen Freunden, zwei etwa gleichaltrigen Männern, was Frau Erna aber nicht wissen konnte.
    Schließlich war es die Hausangestellte, die den Hörer abnahm, wobei sie sich mit ihrer starken Stimme nur gerade melden konnte, und schon wurde am anderen Ende der Leitung kurz und bündig geredet.
    Wie eine militärische Meldung.
    Der Angestellten blieb der Mund ein wenig offen, und ihre Gesichtszüge verhärteten sich. Sie presste die eine Hand um den Hörer, jetzt musste sie sehr gut hinhören, musste sich jedes Wort merken, und so vergaß sie ihre andere Hand mit dem Schürhaken, der ihr langsam entglitt.
    Er schlug dumpf auf dem Teppich auf.
    Bei diesem Anblick stockte den beiden anderen der Schritt, sie blieben erschrocken stehen.
    Der andere redete ununterbrochen und ziemlich laut.
    Ilona Bondor wollte ihn immer wieder unterbrechen, um den Hörer jemand Zuständigerem weitergeben zu können, einem Familienmitglied, Kristóf, der die hilflos angedeutete Bewegung richtig verstand und sich bereithielt, den Hörer zu übernehmen. Aber der Redefluss ließ sich an keinem Punkt unterbrechen. Zweimal, nacheinander, antwortete sie zuvorkommend, ja, ja. Dann brachte sie nur noch heraus, ja, ja, wir danken sehr. Diese letzten Wörter konnte auch Frau Erna hören, und sie sah die verräterische, eigentlich lächerliche Miene ihrer Angestellten.
    Und vor allem die Reglosigkeit, die starre Körperhaltung, mit der alle drei nach vorne gebeugt dastanden.
    Noch etwas feucht, den flauschigen rosaroten Bademantel über ihrem üppigen Körper knapp zusammenhaltend, stand sie imposant auf dem Podest ihrer hochhackigen Pantoffeln in der Salontür, mit ihrem ungekämmten, nass zerzausten blondierten Haar.
    In solchen Augenblicken wird seltsamerweise alles andere ausgeschaltet. Dennoch hatte sie einen halben Blick übrig, der dem sehnig schlanken, braunen Körper Gyöngyvérs galt. Er wirkte auf sie immer, als höre sie einen leichten Knall, einen Ton, der in ihrem Bewusstsein für einen gedankenfreien Augenblick alles andere tilgte. So entblößt bekam sie ihn selten zu Gesicht. Die Gelegenheit musste genutzt werden.
    Sie hasste diese Frau, glaubte ihr kein Wort, aber sie verstand ihren Sohn, dieser Körper hatte auch auf sie seine Wirkung.
    Und am Ende war es der Anblick des Körpers, der sie beruhigte.
    Sie war nicht mehr aufgebracht.
    Als wüsste sie, was geschehen war, als würde sie es schweren Herzens im Voraus akzeptieren.
    Die Hausangestellte legte den Hörer auf die Gabel zurück, stand da, drehte das Gesicht gegen die Wand. Sie musste sich abwenden, um niemanden anzuschauen, wenigstens einen Augenblick lang nicht. Und auch sie sollten ihr Gesicht nicht sehen. Was zwischen ihr und dem Professor im vergangenen Jahr vorgefallen war, ging weit über das normalerweise Erlaubte hinaus.
    Lange Zeit blieb dieses kurze Aufklingeln, dieses Klicken das letzte Geräusch im Raum, das heißt, sie alle hatten das Gefühl, es sei eine lange Zeit. Draußen hellte es gerade wieder auf, trotzdem schlug Regen gegen die beiden Fenster. Alle drei blickten auf Ilona, auf ihre schmalen, unnatürlich hochgezogenen Schultern.
    Sie warteten, dass sie etwas sagte. Hatten aber auch nichts dagegen, dass sie noch eine Weile schwieg. Gyöngyvér Mózes klapperte mit den Zähnen, mehrmals, was man zum Glück nicht hörte. Im Übrigen wusste sie gar nicht, was sie tat, es war eine unkontrollierte Bewegung. Sie presste die Schenkel zusammen, hielt ihr kurzes Nachthemdchen mit beiden Händen fest, zerrte daran, als habe sie Angst um ihren Schoß.
    Durch den dünnen Stoff dämmerte das dichte Dunkel ihrer Behaarung.
    Ist er tot, fragte Frau Erna nach einiger Zeit vorsichtig.
    Nach den Anfällen blieb ihre Stimme noch stundenlang kraftlos, verschleiert, und wurde schon beim ersten Wort heiser. Einzig der junge Mann hörte aus ihrer Frage die nüchterne Berechnung heraus. Genauer, das Entsetzen, dass ihre Pläne zunichtewurden. Er sah es dem Gesicht seiner Tante an, das ohne Schminke immer unangenehm nackt wirkte. Dieses Unverhüllte erschreckte ihn so sehr, dass er seinen Blick regelrecht von ihr

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