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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Rekonvaleszenten würde angezündet.
    So geschah es auch.
    Aber auch Kammer hatte nicht damit gerechnet, dass sie den Peix vor seinen Augen ertränken würden.
    Während ihm Döhring den Stock unters Kinn schob und ihm jemand anderer die Arme auf den Rücken drehte, was ihn fast erbrechen ließ, wegen der im Gefängnis so verbrachten Zeit, da verstand er auch das. Dieser Schmerz ließ sich nur mit Würgen stumm ertragen. Peix musste sich ausziehen, und wie sehr sie ihn auch schlugen, dieses Ausziehen ging sehr langsam vor sich. Seine Nacktheit schälte sich vor Kammers Augen aus dem Dunkel heraus. Lieber Döhrings Schläge ertragen als sehen, was sie mit Gregor taten. Er jammerte innerlich wie ein Kind. Ein einzelner Mensch hätte Kammer nicht mehr zurückgehalten. Döhring konnte ihm nicht gleichzeitig das Kinn hochstemmen und ihn schlagen. Mehrere eilten Döhring zu Hilfe, die Hunde tobten an ihren kurzen Leinen, aber sie schlugen ihn auf eine Art, dass er das Bewusstsein nicht verlor.
    Er schaute nicht hin.
    Kein Laut kam aus seiner Kehle, er würgte stumm.
    So viel konnte er noch tun, während er innerlich brüllend für Gregor flehte, vielleicht sogar Gott anrief, Gott erwähnte.
    Sie konnten ihn noch so schlagen, noch so brüllen, er solle die Augen aufmachen. Er kotzte vor Schmerz. Da mussten sie einen Augenblick aufhören. Sie ließen ihn sogar los. Und er musste die Augen öffnen, sehen, was sie mit Gregors Körper machten. Sie sprangen beiseite, damit er sie nicht ankotzte, Galle absondernd zuckte sein Kopf in ihrer Hand, er würgte, und der Schmerz um Gregor war, als würde ihm sein eigenes physisches Wesen mitsamt den inneren Organen durch seine eigene Kehle und seinen eigenen Mund herausgestülpt, weder Atmung noch Töne kamen mehr durch. Er ging zu Boden. Die Schläge spürte er kaum, sie stießen ihm das Gesicht in die Kotze, aber mehr als alles spürte er den feuchten, reichen Duft der gefrorenen Erde und des Grases. Eine Zeitlang sah er noch das Grün, nur Grün, starkes Grün, sonst nichts, ein so lebhaftes Grün, wie er es noch nie hatte sehen können, schon gar nicht sehen konnte in diesem Augenblick.
    Sie merkten erst, dass sie einen Toten folterten, als auch Gregor unter Wasser keine Luft mehr bekam, und sie schleuderten seinen leblosen Körper mit einem einzigen Schwung in den Fluss.

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    DRITTES BUCH
    Der Atem der Freiheit
    Anus mundi
    In der Weltgeschichte werden Sie nicht die Erste sein, der das passiert, mein Kleines, ganz gewiss nicht, aber es wird Sie umwerfen, als geschähe es doch zum ersten Mal, darauf können Sie Gift nehmen.
    Sie müssen oben bleiben, dürfen nicht zurückfallen, wenn Sie das nicht schaffen, können Sie Ihrer berühmten Singerei endgültig ade sagen.
    Mir können Sie das glauben.
    Sie schlug auf Frau Szemzős Flügel blind einen Halbton an.
    Schon wieder das Fis.
    In der Frühsommernacht erklang die lebendige Seele der vernichteten Menschen und Gegenstände, willig folgte sie ihnen mit der Stimme.
    Nach einem Takt Pause sang sie den Ton heraus, schlug ihn wieder an, sang in ihn hinein. Für Töne war sie sehr empfindlich, sehnte sich mit dem Gehör nach ihnen. Sie hatte vom Klang eine bestimmte Vorstellung, die sie mit den Stimmorganen nachzubilden versuchte. Das Bilden von Tönen legt sich aber aufs Gehör, von außen kann man sich nicht hören. Sie schlug den Ton noch einmal an, gleichsam zur Kontrolle, schaltete eine Pause ein, aber es wurde eine Leere daraus, sofort war sie unzufrieden, nein, so nicht, so geht das nicht.
    Ich treffe ihn nicht, finde ihn nicht.
    Sie hätte Verschiedenes zur Übereinstimmung bringen müssen.
    Es war ihr zum Weinen, schon wegen Ágost.
    Wieso sie weinen sollte, wo sie doch glücklich war mit ihm, wusste sie nicht.
    Ich hänge es ihm an.
    Dass mich jeder mit seinem Wissen demütigen kann, rief sie verzagt, obwohl sie doch glücklich war, nichts konnte die Kraft zerstören, die ihren Körper schwellen ließ, ihn durchströmte, in ihren Zellen arbeitete.
    Ein Quellen und Schwellen.
    Sie werfen Ihre Schwächen dauernd anderen vor, Gyöngyvér, sagte sie mit Margit Hubers durchdringender Stimme zu sich selbst, diesen immer wiederholten Fehler, den ihr die Margit auch immer wieder vorwarf, gab sie ja zu.
    Entschuldigen Sie schon, aber das ist lächerlich.
    Ich mache mich lächerlich mit diesem Mann, aber ich kann einfach nicht anders.
    Eigentlich hätte sie nicht sagen können, was sie aus der Nacht heraushörte oder

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