Parallelum - Der dunkle Beobachter (German Edition)
was machst du da?«, ruft Giovanni erschrocken.
Ich lasse ihn sofort los und werde leicht rot.
»Das tut mir so leid! Ich wollte das nicht, aber du darfst dich nicht an mich heranschleichen«, versuche ich mich zu entschuldigen.
»Heranschleichen? Ich habe dich vorher gerufen, doch du hast dich nicht umgedreht, also wollte ich dich aufhalten, bevor du so wie gestern wieder wegläufst«, sagt Giovanni während er sein Handgelenk massiert.
Ich sehe vielleicht nicht so aus, doch ich habe ein paar gute Selbstverteidigungstricks auf Lager.
»Tut mir leid wegen gestern. Ich war auf dem Revier und wollte dich anrufen, doch dann habe ich die Zeit vergessen.«
»Ich habe dich zwei Mal angerufen. Warum bist du nicht rangegangen, Eva?«
»Ich weiß, tut mir leid. Das Handy ist mir aus der Hand gefallen.«
»Warum hast du es denn nicht einfach wieder aufgehoben?« Warum stellen immer alle ausgerechnet diese Frage?
»Das habe ich, doch bis ich es wieder zusammengebaut hatte, war es zu spät, und ich wurde zum Tatort gerufen.«
»Das hört sich alles nach einer blöden Ausrede an. Wo warst du wirklich die ganze Nacht?«
Unglaublich, diese Hartnäckigkeit!
»Was willst du damit andeuten?«, frage ich ungläubig.
»Das weißt du genau. Ich sehe doch, wie Francesco dich ansieht.«
»Was? Francesco und ich sind Freunde, seit ich denken kann. Er ist wie ein Bruder für mich. Ich habe dafür jetzt wirklich keinen Nerv.« Ich drehe mich um und laufe zu meinem Auto.
»Eva, jetzt lauf doch nicht weg! Komm schon, das war nicht so gemeint …«, ruft er mir beschwichtigend hinterher.
»Lass mich in Ruhe!«, rufe ich zurück und genehmige mir eine Träne, nicht mehr und nicht weniger. Ich laufe an Francesco vorbei, der gerade mit Commissario Lovato ein Gespräch führt. Er dreht sich sofort zu mir um. Ich spüre, wie mir seine Blicke folgen. Endlich bin ich an meinem Wagen. Ich habe immer noch den Notizzettel in meiner Hand und gar nicht gemerkt, ihn zerknüllt zu haben. Nun stopfe ich ihn in meine Hosentasche und nehme die Autoschlüssel heraus. Ich höre Schritte hinter mir. Hoffentlich ist es nicht Giovanni, denn ich kann ihm gerade nicht in die Augen sehen.
»Eva, was ist mit dir?«, fragt eine vertraute, freundliche, besorgte Stimme hinter mir.
»Es ist nichts. Alles in bester Ordnung, Francesco«, antworte ich und drehe mich zu ihm um. Er wischt mir mit seinem Daumen die einzige Träne, die ich mir erlaubt habe zu vergießen, aus dem Gesicht. Doch die Tränen sind stärker als ich, und es fließt eine weitere hinterher, die er auch sofort wegwischt.
»Das sieht aber nicht nach nichts aus.«
»Ich will jetzt wirklich nicht darüber reden. Können wir das nicht dabei belassen?«
»Klar, wie du möchtest.«
»Danke. Ich muss jetzt wirklich los. Kannst du mich bei Commissario Lovato decken?«
»Ja, das kriege ich hin. Ich glaube, sie steht auf mich«, antwortet er und verzieht dabei das Gesicht. Wir müssen beide lachen.
»Bist du sicher, dass du fahren kannst?«, fragt er fürsorglich.
»Ja. Danke, Francesco.«
»Hey, dafür sind Freunde doch da«, sagt er und öffnet mir die Autotür. »Wenn etwas ist, kannst du mich jederzeit anrufen.«
»Das weiß ich doch«, erwidere ich und lächele ihn an.
Ich steige ins Auto und fahre los, doch ich weiß nicht, wohin ich mich wenden soll. Also drehe ich sinnlose Runden um die Stadt, um den Kopf freizukriegen.
Im Rückspiegel bemerke ich einen schwarzen Mercedes. Die Benzin-Kontrollleuchte blinkt auf. Ich halte bei der nächsten Tankstelle an, um vollzutanken. Der andere Wagen, der mir seit dem Tatort folgt, hält an der Tanksäule hinter mir. Der Beifahrer steigt aus. Er trägt einen dunkelgrauen Anzug und eine Sonnenbrille. Der Fahrer bleibt hingegen im Wagen und sieht in meine Richtung. Auch er trägt anscheinend einen Anzug und eine Sonnenbrille. Ich gehe zahlen und fahre schnell wieder los. Plötzlich habe ich ein lästiges Klingeln im Ohr. Im Rückspiegel ist niemand zu sehen. Ich bin erst einmal beruhigt. Doch es dämmert mir, dass ich nun auch noch unter Verfolgungswahn leide. In der Hoffnung, das Klingeln höre endlich auf, schüttele ich den Kopf.
Unbewusst bin ich in Richtung Friedhof gefahren. Ich beschließe, dort zu parken und das Grab meines Vaters zu besuchen. Bevor ich aussteige, sehe ich mich um. Anscheinend ist niemand da, ich bin beruhigt und betrete den Friedhof. Hier herrscht immer eine beeindruckende Ruhe. Es ist, als wäre man nicht mehr in der
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