Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme
ist?«
»Das habe ich«, sagte De Mello. »Und genau da wird es interessant.«
Er betätigte eine weitere Taste und auf dem Bildschirm erschien das Protokoll einer Verhaftung mit einem Verbrecherfoto von DickMan. »Ist ein Stricher namens Todd Hastert. Wurde ein paarmal eingelocht wegen Prostitution und Besitz von Crystal Meth.«
»Noch so ein Charmebolzen«, sagte Blackburn.
»Bis vor einem Jahr ist er allerdings nie aufgefallen. Hat als Assistent in der Pathologie gearbeitet. Wurde gefeuert, weil er den Pinkeltest nicht bestanden hatte.«
Bei Blackburn begann ein Alarmglöckchen zu läuten. Assistenten in der Pathologie waren normalerweise dafür zuständig, die Leichen für die Obduktion vorzubereiten. Das bedeutete, Hastert konnte Zugang zu jeglicher Art von Informationen gehabt haben, sogar zu Obduktionsberichten. Nur eine Handvoll Leute hatte über die geheim gehaltenen Einzelheiten der Van-Gogh-Morde Bescheid gewusst. Der Pathologe war einer davon. Vielleicht sollte man die Suche nach einer undichten Stelle bei Todd Hastert beginnen.
»Und jetzt sag nur noch, du hast die Koordinaten von diesem Typen.«
Mit dem Fingernagel gab De Mello auf dem Palm Pilot in Blackburns Hand DickMan229 ein. Das kleine Display zeigte eine Adresse.
»Dein Wunsch ist mir Befehl.«
36
Carmody hatte drei der Krankenschwestern, zwei Pfleger und einen der Wachmänner befragt, doch keiner hatte auch nur die leiseste Ahnung, wo Tolan stecken könnte. Alle sagten, er sei ein netter Kerl, ein toller Chef, habe stets für alles ein offenes Ohr und für jeden ein freundliches Wort. Manchmal arbeite er natürlich zu viel, bis zur Erschöpfung, doch keiner von ihnen hatte jemals erlebt, dass er eine Situation völlig falsch eingeschätzt hätte.
Bis jetzt, dachte Carmody. Wenn man sich schon einen Fehler leistete, dann wohl gleich in großem Stil. Das war Tolan wirklich gelungen! Aber warum, so fragte sie sich, hatte er sich eine solch ausgefeilte Geschichte ausgedacht? Er musste doch davon ausgehen, dass man ihn erwischen würde.
Auf Carmody hatte er immer einen offenen, sachlichen Eindruck gemacht. Was sollte dann dieses ganze Theater? Hatte Frank recht? Wollte sich Tolan auf diese Art von einer Schuld befreien, die er ein Jahr lang mit sich herumgeschleppt hatte? Immerhin war seine Frau vor genau einem Jahr ermordet worden. Hatte die Bedeutung eines solchen Tages irgendetwas in Gang gesetzt?
Während sie das Personal der EDU befragte, liefen die verunstalteten Fotos von Abby Tolan wie eine Diashow vor ihrem geistigen Auge ab. Franks Theorie hatte sie nicht vollständig überzeugt, doch die Fotos verliehen ihr eine gewisse Glaubwürdigkeit.
Die Symbolik war eindeutig. Ein ›netter Kerl‹ würde seiner Frau wohl kaum die Augen ausstechen. Vielleicht lag Frank ja doch richtig. Denn eins hatte Carmody in der kurzen Zeit ihrer Zusammenarbeit über Frank Blackburn gelernt: Trotz seines unbeugsamen, ärgerlichen Verhaltens hatte er einen ziemlich untrüglichen Instinkt. Das musste sie ihm einfach zugestehen.
Sie wünschte, das wäre alles, was sie ihm jemals zugestanden hatte. Es gab nichts Schlimmeres, als mit jemandem geschlafen zu haben, der einen zur Weißglut trieb. Mit jemandem, dessen politische, soziale und moralische Grundsätze in krassem Widerspruch zu den eigenen standen. Und Carmody dachte wesentlich häufiger an jene Nacht, als ihr guttat. Die Nacht ihres schwerwiegenden Fehlers.
Sie waren noch ins Elbow gegangen, um auf ihren Erfolg im Fall Sarah Murphy anzustoßen – wieder so ein Mistkerl, den sie im Sack hatten und der vor Gericht käme. Sie waren beide ziemlich stolz auf ihre Arbeit gewesen.
Frank wollt sie vor ihrer Wohnung absetzen, doch dann regte sich ihr eigener dämlicher Instinkt. Brachte sie dazu, sich zu ihm hinüberzubeugen und ihn zu küssen. Für beide kam es überraschend, und sie konnte immer noch nicht sagen, warum sie das eigentlich getan hatte. Aber sie hatte es getan. Und der Kuss war großartig.
Wenig später waren sie in ihrer Wohnung, in ihrem Schlafzimmer, rissen sich die Kleidung vom Leib und klammerten sich aneinander wie zwei Verlassene oder Verlorene. Der Witz war allerdings, keiner von ihnen war wirklich verlassen oder verloren, dennoch erschien es an jenem Abend so. Frank und sie nackt, das kam ihr überhaupt nicht fremd oder unangenehm vor.
Er legte sie auf ihr Bett und bedeckte sie mit sanften Küssen, verweilte an genau den richtigen Stellen und setzte seine Zunge und seine
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