Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme
herausholen.«
Die Furchen auf Claytons Stirn vertieften sich.
»Scheiß drauf«, sagte er und machte sich auf den Weg zur geschlossenen Abteilung.
»Wo willst du hin?«
»Wenn ich schon einmal hier bin, kann ich sie mir auch ansehen. Bin gespannt, was es mit dem ganzen Hin und Her auf sich hat.«
Durch die Glasscheibe beobachteten sie Jane. Es schien, als hätte sie sich kaum bewegt, seit Lisa das letzte Mal nach ihr gesehen hatte.
»Hey«, sagte Cassie, als sie Clayton entdeckte. »Was treibt dich denn aus der Höhle?«
Lisa vermutete schon lange, dass Cassie in Clayton verliebt war, doch jetzt blendete sie die Neckereien der beiden aus und richtete den Blick auf Jane. Ohne dass sie es wollte, ging ihr immer wieder durch den Kopf, was der alte Mann gesagt hatte. Sie war nie abergläubisch gewesen, doch diese Frau hatte etwas an sich, das seine Worte unterstrich – diese Ähnlichkeit kam nicht von ungefähr.
Un emprunteur . Ein Entleiher.
War das möglich? Konnte es sein, dass tatsächlich Abby dort drinnen war und versuchte, die Kontrolle zu übernehmen?
»Du hast sie ja nicht mehr alle!«, sagte Clayton. Lisa wurde aus ihren Gedanken gerissen und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Cassie und ihn.
»Ich erzähle dir nur, was ich gesehen habe«, sagte Cassie abwehrend. »Dr. Tolan hat es auch gesehen. Beide Augen sind braun.«
»Ausgeschlossen. Heterochromie ist nichts, was mal eben …«
Er unterbrach sich und sah sich Jane X durch die Glasscheibe noch einmal genauer an. »Ist das irgendein dummer Streich? Wer ist diese Frau?«
Lisa stellte sich neben ihn und versuchte seinem Blick zu folgen. »Was ist los?«
»Ich glaube, ich werde hier verarscht, das ist los! Gleich kommt bestimmt so ein Idiot aus einer Fernsehshow und lacht sich kaputt.«
»Wovon sprichst du?«
»Das ist nicht die Frau, die ich heute Morgen untersucht habe. Sieh dir mal ihre Schulter an.«
»Hör auf, Clay«, sagte Cassie. »Jetzt mach dich nicht lächerlich. Ich hatte den ganzen Tag Dienst und …«
Mit offenem Mund hielt sie inne. Sie drückte auf eine Taste, und auf dem Bildschirm erschien die Aufzeichnung der Kamera, die die Patientin aus der Vogelperspektive zeigte. Mit einem Mausklick zoomte Cassie Janes linke Schulter näher heran.
»Du liebe Güte«, sagte sie. »Das gibt es doch nicht!«
Clayton wandte sich von der Glasscheibe ab. »Ich weiß nicht, was für ein Spielchen ihr hier treibt, aber ihr könnt Michael, diesem Schwachkopf von Cop oder wem auch immer bestellen, dass ich alles andere als scharf darauf bin, meinen Hintern aus dem Bett zu wuchten, um diese Mätzchen mitzumachen.«
Er verließ den Raum. Fassungslos sah Lisa ihm nach. »Würde irgendjemand mir endlich mal sagen, was hier vor sich geht?«
Cassie zeigte auf den Bildschirm. »Ihr Tattoo. Das Hello-Kitty-Tattoo.«
»Welches Tattoo? Ich sehe keins.«
»Genau das ist es ja«, sagte Cassie. »Es ist verschwunden.«
TEIL 5
Der Mann,
der das Schicksal
herausforderte
41
In seinem Traum war sie bei ihm. Gemeinsam gingen sie durch die Dunkelheit, blieben dicht beieinander, mit beiden Händen umklammerte sie seinen Arm. Sie hatte Angst – beide hatten Angst –, doch auf eine angenehme Art. Die Art Angst, die man auf einer Achterbahn oder in einem Gruselfilm verspürt.
Vor dem alten Klinikgebäude blieben sie stehen. Beim Anblick der bedrohlichen Silhouette klammerten sie sich noch enger aneinander. Die Eingangstüren waren nicht mehr da, an ihrer Stelle befand sich ein schwarzes Loch, das wie der Einstieg in eine finstere Hölle wirkte.
Nach einer Weile hielt Abby ihre Kamera hoch – die Canon Digital SLR, die sie immer bei sich hatte – und sagte: »Ich gehe hinein.«
Tolan war überrascht, doch er nickte. »Ich komme mit.«
»Nein, Michael, du musst hierbleiben.«
»Warum?«
»Zu gefährlich«, sagte sie. »Du musst warten, bis du an der Reihe bist.«
Tolan starrte auf das finstere Eingangsloch. Das kribbelnde Gefühl von Angst, das er noch kurz zuvor empfunden hatte, erschien ihm nun weitaus unangenehmer.
»Ich will nicht warten«, sagte er. »Ich will bei dir sein.«
»Du wirst schon bald bei mir sein. Doch jetzt musst du loslassen.«
»Ich will aber nicht.«
Sie lächelte, streckte sich und küsste ihn. »Ich will auch nicht, mein Geliebter. Doch hier geht es nicht um uns. Wir haben keine Wahl.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Es gibt nichts zu verstehen. Das ist die Art des Rhythmus. Der Herzschlag.«
»Der
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