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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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habe ich kein Argument. Ich fange an, in den Hörerzu schreien, unschönes Zeug, und antworte dann, aufgesetzt ruhig und entspannt: »Tu ich doch gar nicht«, nachdem Joel mich angeherrscht hat: »Gib die Schuld nicht dem Überbringer schlechter Nachrichten.«
    Ich bin damit beschäftigt, schreckliche Zusammenhänge erneut zu begreifen. Ich, noch mal, etwas leiser: »Tu ich doch gar nicht.«
    »Ich hoffe bei Gott, du weißt, was du da machst, Connie.«
    Es gäbe noch einiges zu sagen, aber das würde zu nichts führen. Ich murmle eine zerknirschte Entschuldigung: »Schon gut, tut mir leid. Bis später.« Ich lege auf. Mit einem Mal empfinde ich eine so abgründige Leere, dass ich fürchte, darin für immer verlorenzugehen. Als hätte jemand ein tiefes Loch in meine Seele gebohrt.
    Insidon. Zwei Stück.
    Etwas später: Da es in Deutschland gerade 11 Uhr vormittags ist, rufe ich Esther an. Ich weiß auch nicht, warum. Es gibt nichts Neues, aber es ist nett, ihre Stimme zu hören. Und ich muss zugeben, dass ich sie nie im Mindesten langweilig finde, wenn wir uns unterhalten. In letzter Zeit gibt es mir etwas. Dann spreche ich Fynn, der gerade im Unterricht sitzt, auf die Mailbox und schreibe ihm noch eine E-Mail und noch eine SMS. Inhalt aller drei Nachrichten: Ruf mich an, wann du willst. Bitte bald. Wir sprechen jeden zweiten Tag. Er soll immer mich anrufen, dann weiß ich sicher, dass er in der richtigen Stimmung ist. Gesprächstarife spielen keine Rolle, sein Handy zahle sowieso ich. Er ist so verdammt traurig in letzter Zeit und bedrückt. Ich kriege immer noch nichts aus ihm raus. Heute ruft er nicht zurück.
    Auch dieser Arbeitstag vergeht. Ich komme gut voran, mein Team funktioniert. Unsere erste Implementierungsstufe ist vortragsreif. Morgen großes Meeting. Bereits um 21 Uhr verlasse ich das Gebäude. Sonst nie vor 23 Uhr. Heute erschöpfungsbedingteAusnahme. Gestehe es mir zu. Ein Kraftakt für sich. Begegne auf dem Weg zur Ausgangs-Sicherheitsschleuse ausgerechnet Premrow, der auch Schluss für heute macht. Ich unterdrücke ein leicht erschrecktes Zucken und tue leutselig. Er macht unvermittelt eine kurze Verbeugung, während seine Augen wachsam und zurückhaltend bleiben. Premrow, ich traue dir nicht. Ich weiß, er ist gegen mich. Ich wünsche ihm alles Schlechte. Mein Chauffeur wartet mit aufgehaltener Tür. Als wir vom Gelände fahren, liegt Schnee, ein Weiß, das inzwischen grau und schmutzig geworden ist und vom Regen durchlöchert. Immer wieder beiße ich mir in die offene Wunde auf der Innenseite meiner Unterlippe. Werde sie nicht zuwachsen lassen. Es blutet.
    Später am Abend führe ich eine uralte Schachtel, irgendeine mongolische Oma von der Hotelbar, zum Essen aus. Sie ist keine Prostituierte. Ins Bett kriege ich sie nicht.

26
    Am Tag darauf presche ich durch die Katakomben von Marischkas Fertigungshalle, obwohl ich keine Sekunde geschlafen habe. Keine Sekunde. So was sagt man oft und meint damit: schlecht oder kaum geschlafen. Ich aber meine es wortwörtlich. Keine Sekunde.
    »Guten Morgen, Steve, gut geschlafen? Was macht Ihre Zeitersparnis-Quote? Haben Sie sie schon auf unter vierzig gedrückt?«, frage ich streng, als ich in das Zehn-Personen-Büro trete, in dem meine Mannschaft untergebracht ist. Unser temporäres Headquarter. Der Raum ist nichts Großartiges. Tische, Stühle, Apples. Unzählige Dokumente und Pläne hängen an den Korkplatten, mit denen die Wände vom Boden bis zur Decke beklebt sind.
    »Krieg ich hin, Conrad, ein paar Zahlen muss ich noch angleichen«, antwortet Steve rasch.
    (An/glei/chen = biegen, brechen, dehnen, strecken, stauchen. Je nach Bedarf.)
    Wir grinsen uns an. Ich nehme mir einen Red Bull aus dem kleinen Kühlschrank in der Ecke.
    Steve Whittaker, fünfundzwanzigjähriger US-Amerikaner aus Boston, ledig, mein wichtigster Mann in Nowosibirsk, hochrote Hände, vorstehendes Kinn, seine Hosen sitzen zu stramm um seine rundlichen Waden, dicker Hals. Sein Gesicht gemahnt mich immer wieder zu äußerster Vorsicht, denn nur weil er aussieht wie ein Arschloch, heißt das noch lange nicht, dass er keines ist.
    Nein, ich kann ihm eine gewisse Sympathie nicht versagen.
    Er hilft mir die vierzehn Tage, die wir hier sind, als zweiter Analyst. Fungiert somit als mein erster Offizier. Vielleicht übernehme ich ihn, wenn wir die Arbeit an diesem Projekt beendet haben. Leistet hervorragende Arbeit. Ich ahne, er wird’s mal weit bringen. Das ärgert mich. Ein karrieregeiler

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