Paranormal - Fuenf Romane mit Patricia Vanhelsing
Volvo auf dem dazugehörigen Parkplatz ab.
Wir stiegen aus. Ich ließ den Blick umherschweifen. Das Meeresrauschen war allgegenwärtig und ein heftiger Wind blies von der See her.
Etwas oberhalb des Ortes, erhaben auf einem Felsplateau, lag das düstere Gemäuer eines Schlosses. Die Türme und Zinnen reckten sich in den dunstigen Nachthimmel. Und immer dann, wenn die Wolkendecke für kurze Momente das Mondlicht hindurchließ, erschien dieses Gemäuer in einem fahlen, gespenstischen Licht.
Auch im Schloss brannte noch Licht in mehreren Räumen. Und oben auf einem der Türme stand jemand und schwenkte offenbar eine Fackel. Es wirkte beinahe so, als würde er Signale hinaus in den Nebel geben...
"Dann wollen wir mal sehen, ob wir hier noch ein Zimmer bekommen", meinte Tom. Er legte den Arm um meine Schultern.
Gemeinsam gingen wir auf die Tür zu. Eigenartige Schnitzereien waren auf dem hölzernen Bogen zu sehen, der den Eingang des SINKING SHIP überspannte. Grimmige Dämonenfratzen, die mich an die Schnitzereien an Tante Lizzys Schreibtisch erinnerten. Dazu einige magische Zeichen, von denen mir einige aus einem Buch mit dem Titel ZEICHEN DER GEHEIMEN KRAFT bekannt waren, das ein Ungar namens Ferenz Borsody verfasst hatte. Borsodys Werk gehörte zu jenen Standardwerken des Okkultismus, die Tante Lizzy am häufigsten zu Rate zog.
"Die Leute scheinen hier ziemlich abergläubisch zu sein", kommentierte Tom, als er meinen Blick sah.
"Oder sie wissen seit langem über die Kräfte Bescheid, die hier ihr Unwesen treiben..."
Ich zögerte unwillkürlich, bevor wir eintraten.
Wieder glaubte ich für Bruchteile von Sekunden jene Kraft zu spüren, die mit dem LIBRUM HEXAVIRATUM in Zusammenhang stand.
Aus dem Inneren des Gasthauses drang Stimmengewirr.
Tom öffnete die Tür mit einem knarrenden Geräusch.
Wir traten ein.
Die Beleuchtung im Inneren war spärlich. Der Schankraum war rustikal eingerichtet. Dunkles Holz prägte ihn. Am Schanktisch saßen einige Männer mit wettergegerbten, ledrig wirkenden Gesichtern, durch die sich tiefe Furchen zogen.
Gesichter, die an verwitterte Steinstatuen erinnerten. Ich fragte mich unwillkürlich, wie alt diese Männer sein mochten.
Auf den ersten Blick machten sie den Eindruck, irgendwo in den mittleren Jahren zu stehen - aber wenn man in ihre Augen blickte, hatte man sofort den Eindruck, es mit Greisen zu tun zu haben. Eine eigenartige Mischung...
In dem Moment, in dem wir den Schankraum betraten, verstummten sämtliche Gespräche im Raum. Die Augen aller waren auf uns gerichtet.
Tom und ich gingen zum Schanktisch, hinter dem ein breitschultriger Wirt mit grauem Haar stand. Seine hervorspringende Nase und die matt glänzenden grauen Augen gaben ihm etwas Falkenhaftes.
"Wir möchten gerne ein Zimmer für ein, zwei Nächte...", erklärte Tom.
Der Wirt hob die Augenbrauen.
"Ein Doppelzimmer?"
"Ja."
"Wenn Sie im voraus bezahlen, können Sie sich hier eintragen." Er schob Tom das Gästebuch hin.
"Sie trauen Fremden nicht?"
"Sagen wir so: Ich bekomme mein Geld gerne vorher."
"Kein Problem."
"Dann ist es ja gut, Mister..." - er blickte auf Toms Eintragung - "...Hamilton!"
Ich hatte indessen den Blick im Schankraum umherschweifen lassen, während mich alle Anwesenden anstarrten, als ob ich ein exotisches Tier gewesen wäre. In diesen Moment hätte man buchstäblich eine Stecknadel fallen hören können.
An den dunklen Holzwänden hingen allerhand Fotos, kleinere Bilder, die offenbar von mehr oder minder begabten Malern aus der Umgebung stammten, sowie Gegenstände, die mit der Seefahrt und der Fischerei in Zusammenhang standen.
Enterhaken, Säbel, Netze und ein Stück Treibholz, das wie eine Schiffsplanke aussah, waren mit dicken gusseisernen Nägeln an die Wände geschlagen worden.
In einer Nische, in der ein paar stumm gewordene Männer beim Kartenspiel saßen, hing ein etwas großformatigeres Gemälde an der Wand, das ebenso kunstlos hergestellt worden war, wie die anderen Bilder dieser seltsamen Schankraum Galerie.
Aber bei seinem Anblick stockte mir einen Moment lang der Atem.
Es zeigte ein Schiff in tosender See. Ein Segelschiff, dessen Umrisse genau jenem Segler glichen, den ich in meinen kurzen, schlaglichtartigen Visionen gesehen hatte...
SANTA ISABEL stand in verschnörkelten Lettern auf dem Rumpf.
Ich versuchte, mir meine Gefühlsregungen nicht anmerken zu lassen. Statt dessen trat ich ein paar Schritte auf das Bild zu. Jetzt erkannte ich auch Details aus
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