Parasiten
der
Agrarbranche.«
Haßmoor.
Der Abend dämmerte über den Feldern. Heiko Bender machte
zum wiederholten Mal einen Rundgang durchs Haus und prüfte, ob alle Fenster und
Türen geschlossen waren. Die Sommerhitze stand in den Räumen, die Luft war zum
Schneiden. Heiko Bender schwitzte. Er schwitzte vor Angst. Seit gestern hatte
er mehrfach bei einem privaten Sicherheitsdienst in Kiel angerufen und einen
Leibwächter angefordert. Aber immer hatte er die gleiche Antwort bekommen: »Im
Moment ist keiner frei, vermutlich können wir Ihnen morgen früh einen Mann
schicken.« Bender hatte geflucht und gebeten, wenigstens heute Nacht noch
jemanden zu bekommen, doch es hatte nichts genützt. Er wünschte sich nichts
sehnlicher, als in der schützenden Hülle der Kieler Gefängnismauern zu sitzen.
Aber wenn er die Polizei zu Hilfe rief, konnte er gleich ein umfassendes
Geständnis ablegen.
Er setzte sich an den Wohnzimmertisch, wo alle regionalen Tageszeitungen
verstreut waren, die er hatte bekommen können. Wie unter Zwang las er zum
wiederholten Mal alle Artikel über Benedikts und Puris Ermordung. Die Sache mit
den Insekten gruselte ihn. Einerseits machte es ihm Hoffnung. Die ganze
Geschichte war so abstrus, das musste überhaupt nichts mit ihm zu tun haben.
Andererseits hatte ihm dieser Kommissar Thamm genüsslich gesteckt, dass Alina
von einem kriminellen Cousin abgeholt worden war. In diesen Ostblockländern gab
es doch so etwas wie Blutrache. Aber betraf das auch Vergewaltigung? Alina war
ja nicht tot.
Benders Gedanken kreisten, stolperten, überschlugen, überkreuzten
und verknoteten sich. Er versuchte sich zu beruhigen. Zu gerne hätte er ein
paar Gläser Whisky getrunken, doch er musste nüchtern bleiben. Eins konnte er
sich genehmigen, aber nur eins. Er schenkte sich zwei Fingerbreit ein und
schaltete den Fernseher an, um sich abzulenken. Unaufmerksam zappte er durch
die Programme. Immer wieder erschrak er, weil er ein ungewöhnliches Geräusch zu
hören glaubte. Dann schaltete er den Ton weg und lauschte. Sein Hemd war
komplett durchgeschwitzt, seine Nerven lagen bloß, obwohl er todmüde war. Die
Nächte in Untersuchungshaft hatte er schon kaum ein Auge zugetan, von der
letzten Nacht ganz zu schweigen. Er sah auf die Uhr. Es war kurz vor Mitternacht.
Einen Whisky konnte er noch trinken. Damit er wach blieb.
Bender schlief auf dem Sofa ein. Leise begann er zu schnarchen. Er
hörte nicht, wie im Souterrain an einem der Fenster ein Glasschneider
angesetzt, dann das Fenster geöffnet wurde und Schritte die Treppe hochkamen.
Eine halbe Stunde später klingelte Hannes Strodt, Angestellter bei
der Kieler Firma Safety and Security an Benders Haustür. Zuerst war er genervt
gewesen von der späten Anfrage, aber als er hörte, was Bender zu zahlen bereit
war, hatte er sich sofort ins Auto gesetzt und war nach Haßmoor gefahren. Jetzt
noch mitten in der Nacht bei dem hochnervösen Kunden aufzuschlagen und ihn zu
beruhigen, würde einen guten Eindruck machen, für das nötige Vertrauen und
eventuell für einen finanziellen Bonus sorgen. Doch niemand öffnete auf sein
Klingeln. Er versuchte es wieder. Nichts. Strodt überlegte, ob der Kunde aus
irgendwelchen Gründen so verängstigt war, dass er sich tot stellte. Es
verunsicherte jeden, wenn mitten in der Nacht geklingelt wurde.
»Herr Bender, ich bin Hannes Strodt von Safety and Security aus
Kiel. Sie haben bei uns angerufen!« Diskretion war einer der wichtigsten
Grundsätze seiner Firma, doch dieses Haus stand so weit ab von allen Nachbarn,
dass er ohne Sorge durch die Nacht brüllen konnte. Trotzdem kam kein Herr
Bender zur Tür, um dankbar zu öffnen und ihm ein Bier anzubieten. Strodt
lauschte auf Schritte im Inneren des Hauses. Da hörte er ein verdächtiges Geräusch
auf der anderen Seite der Villa. Leises Quietschen einer Tür oder eines
Fensters. Huschende Schritte von genagelten Schuhen auf Gehwegplatten, dann
dumpfe, schnelle Schritte, vermutlich auf Rasen. Strodt zog seine Beretta und
schlich sich ums Haus herum. In der Ferne eines Stoppelfeldes sah er einen
dunklen Schatten wegrennen. Kurz darauf wurde ein Motorrad angeworfen.
Strodt war zu spät. Er sah sich die Hinterseite des Hauses an. Eines
der Souterrainfenster stand sperrangelweit offen. Er steckte die Waffe weg und
nahm den gleichen Weg ins Haus wie der Eindringling. Beim Einsteigen sah er,
dass jemand das Fenster mit einem Glasschneider bearbeitet hatte. Er fand kein
Licht, doch die mondhelle
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