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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Moldawien verschwinden täglich junge Menschen, die die Nase voll
haben von der Armut, der Arbeitslosigkeit, der Hoffnungslosigkeit. Die meisten
verabschieden sich nach Westeuropa, um dort Arbeit zu finden, das Glück oder
einen Ehemann. Dann können sie Geld nach Hause schicken. So wie du. Ohne dein
Geld könnten wir Alina nicht aufs Gymnasium schicken. Hast du gewusst, dass die
aus dem Ausland überwiesenen Finanzspritzen unserer Migranten inzwischen das
Bruttoinlandsprodukt übersteigen? Moldawien lebt von seinen Wirtschaftsflüchtlingen!«
Radu goss seinen Frauen mit bitterer Miene Tee nach.
    »Der Polizist hat gesagt, er kann gut verstehen, dass die jungen
Leute abhauen«, fuhr Radu fort. »Er überlegt sich das auch manchmal, hat er
gesagt. Dann würde er seinen Eltern Bescheid geben und gehen. Manche
verschwinden aber auch, ohne sich zu verabschieden. Von vielen hört man dann
nie wieder, hat er gesagt. Da habe ich ihm gesagt, dass unsere Alina das nie
tun würde. Einfach so gehen! Sie will doch gar nicht weg, sie ist glücklich
hier!«
    Sofia verschwieg ihren Eltern, wie häufig Alina sie am Telefon schon
angebettelt hatte, zu ihr nach Deutschland kommen zu dürfen. Sofia hatte ihr
erst letzten Monat noch versprochen, mit den Eltern zu reden, sobald Alina ihr
Abitur gemacht hätte. Vielleicht würde sie ja dann in Bremen studieren und bei
ihr wohnen können. Alina war mit dieser Antwort zufrieden gewesen und hatte
Sofia fröhlich versprochen, ein Einser-Abi hinzulegen, damit jede deutsche Uni
sie mit Kusshand nehmen würde. Alina wollte Mathematik studieren. Anscheinend
besaß sie für die Welt der Zahlen ein ähnliches Talent wie Sofia für die Welt
der Noten.
    Sofia glaubte genauso wenig wie ihre Eltern, dass Alina sich
klammheimlich abgesetzt hatte. Dafür war sie zu klug und überlegt. Es musste
etwas passiert sein. Sofia beschloss, ihren Eltern nichts von dem Mann zu
erzählen, der sie überfallen hatte, und auch nicht von seinen Drohungen.
Immerhin gab es eine gute Chance, dass Alinas Verschwinden nichts mit den
Ereignissen in Deutschland zu tun hatte.
    »Was machen wir denn jetzt, Sofia?«, fragte die Mutter.
    »Hat Alina vielleicht einen Kerl kennengelernt?« Sofia fragte nur
der Vollständigkeit halber, sie glaubte nicht daran. Wenn Alina sich verliebt
hätte, wüsste sie davon. Alina trug ihr Herz immer auf der Zunge.
    »Uns hat sie nichts erzählt. Dir?«, antwortete Ileana.
    Sofia schüttelte den Kopf. »Zuerst rede ich mit Dana und Silvia.«
    »Die haben uns doch schon alles gesagt. Die sind auch ganz
verzweifelt«, sagte Radu.
    Sofia sprach mit bemüht fester Stimme: »Danach werde ich mit Vadim
reden.«
    Die Eltern blickten Sofia entgeistert an. Vadim war einer von Sofias
und Alinas Cousins. Ein unliebsamer Cousin. Die gesamte Familie hatte schon
seit Jahren den Kontakt zu ihm abgebrochen. Vadim war das schwarze Schaf. Vadim
war kriminell.

 
    Hamburg.
    Christian saß mit Anna in der Küche beim Abendessen. Er
hatte Bioeier mit Speck und Kartoffeln in die Pfanne geworfen, alles durcheinandergerührt,
gebraten, mit frischen Kräutern garniert und Anna serviert, als sie von ihrem
Job an der Uni nach Hause kam. Viel mehr gaben Christians Kochkünste nicht her,
doch Anna war zufrieden. Sie selbst kochte selten, ihr häusliches Engagement scheiterte
entweder an mangelnder Zeit oder mangelnden Ideen. Deswegen gab es bei den
beiden abends fast immer eine schlichte Brotzeit, gelegentlich mit Salat, oder
beim Italiener um die Ecke gekauften Antipasti. Dass Christian heute gekocht
hatte, verwunderte Anna. Erstens steckte er mitten in einem Fall und zweitens
hatte er ganz offensichtlich schlechte Laune.
    »Ich habe gedacht, das Kochen beruhigt mich«, gestand er kauend.
    »Und?«
    »Nö.«
    »Was war denn?«
    »Nix. Das regt mich auf!«
    »Ich weiß. Gib mir mal den Pfeffer. War wirklich gar nix?«
    »Nicht scharf genug?« Christian legte sein Besteck hin, reichte Anna
den Pfeffer und schaute zu, wie sie nachwürzte. Er trank einen kräftigen
Schluck von seinem Pils.
    »Welchen Ärger spülst du denn jetzt runter? Dass ich nachwürze?«
Anna lächelte.
    »Quatsch. Es geht um den Fall. Karen kommt mit den Laborergebnissen
aus der Rechtsmedizin nicht rüber, Herd und Volker vergeuden ihre Zeit in den
Stapeln von Aussagen mit zusätzlichen und dennoch fruchtlosen Befragungen in
Henning Petersens privatem Umfeld und den Bewegungsabläufen seiner letzten
Tage, Pete bastelt an einem Opfer- und Täterprofil,

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