Parasiten
Mordfall. So würden
Sie es vor mir sicher auch formulieren, wenn er Ihr Verdächtiger wäre. Ist er
Ihr Verdächtiger?«
»Könnte es sein, dass er bei seinem Vater ist, der in Berlin lebt?
Wir haben auch Maxym Savchenko bislang nicht erreicht.«
»Dort ist er garantiert nicht. Er kann seinen Vater nicht ausstehen.
Seine Mutter übrigens auch nicht.«
Christian lächelte: »Sie wissen also doch etwas über sein
Privatleben.«
»Seine Mutter will immer nur Geld von ihm. Wie es ihm geht, ist ihr
egal. Und Maxym Savchenko war Lehrer an der Staatlichen Musikschule in Moskau,
wo Danylo und ich uns als Kinder kennengelernt haben. Maxym war der schlimmste
Despot dort. Weil er als Pianist und Komponist gescheitert war, hat er Danylo
sein eigenes ungelebtes Leben aufgezwungen. Mit Methoden, die jede Kindheit
töten.« Sofia sprach voller Bitterkeit.
»Heißt das, Danylo mag sein Leben als gefeierter Pianist nicht? Hat
er sich vielleicht deswegen aus allem rausgezogen und ist verschwunden?«
Sofia lachte bitter auf: »Gefeiert? Das war einmal. Im Alter von
acht bis zwölf, mit seinen süßen Löckchen und dem dunkelblauen Samtanzug, da
wurde er gefeiert. Hat sogar mal vorm Papst gespielt. Wie niedlich! Wie
talentiert! Wie begnadet! Für den Papst sind Wunderkinder eine Art
Gottesbeweis! Aber dann, als er älter wurde und einen Plattenvertrag als neuer
publikumswirksamer Richard Clayderman abgelehnt hat, weil er ein
ernstzunehmendes Repertoire spielen wollte, da war es vorbei mit niedlich und
gefeiert.«
Sowohl Christian als auch Pete hatten den Eindruck, dass Sofia auch
von sich selbst sprach. Ihre Enttäuschung war selbst in ihrem verprügelten
Gesicht abzulesen.
»Dennoch würde Danylo nie im Leben mit der Musik aufhören«, fuhr sie
fort. »Wie auch? Wir können ja nichts anderes. Wovon sollen wir leben? In einer
Bäckerei arbeiten?« Sie lachte wieder bitter. »Wenn man die Bühne von klein auf
gewohnt ist, und den Applaus, dann wird man danach süchtig. Und diejenigen von
uns, die irgendwann darauf verzichten müssen, die gehen auf die eine oder
andere Art kaputt.«
Mit schmerzhafter Mühe erhob sich Sofia. »Ich kann Ihnen wirklich
nicht weiterhelfen. Falls er sich bei mir melden sollte, werde ich ihm sagen,
dass Sie ihn suchen.«
Auch Christian und Pete erhoben sich. Als die beiden sich an der Tür
von Sofia verabschiedeten, fragte Christian noch einmal: »Wollen Sie uns nicht
doch sagen, wer Sie so zugerichtet hat? Wir können Sie schützen.«
»Vor dem Leben kann man nicht beschützt werden. Vor dem Tod auch
nicht«, gab sie zur Antwort. Dann schloss sie die Tür.
Im Dienstwagen, auf dem Weg zurück nach Hamburg, sagte Pete zu
Christian: »Sie weiß etwas.«
»Sie weiß eine Menge. Und ich würde mich nicht wundern, wenn die
Prügel, die sie eingesteckt hat, in irgendeinem Zusammenhang mit Savchenko
stehen. Vielleicht war er es sogar selbst.«
»In der Wohnung gibt es jedenfalls keine Hinweise auf männlichen
Besuch, auch nicht im Badezimmer. Ich habe mir alles genau angesehen. Aber sie
hat Angst, obwohl sie es ganz gut verbirgt. Fragt sich nur, wovor. Oder vor
wem.«
Christian nickte. »Sie wird es uns nicht sagen. Ich glaube, sie ist
eine sehr loyale und sehr tapfere junge Frau.«
»Sieht aus, als hätten wir ein Problem. Eine Leiche, keine Zeugen,
bislang kein Motiv in Sicht, unser Hauptverdächtiger verschwunden, womöglich
schon außer Landes, und unsere einzige Verbindung zu ihm schweigt sich aus. Wir
sollten eine Fahndung an Interpol rausgeben. Aber wir haben definitiv kein
Tötungsdelikt im Affekt. Dann hätten wir Spuren gefunden. So sauber arbeitet
nur ein Profi. Das war eine geplante und eiskalt durchgeführte Tat, das zeigt der
Modus Operandi. Dieser Savchenko ist anscheinend der Typus sensibler Künstler.
Der schneidet keine Finger ab und zerteilt Zungen. Petersen wurde professionell
hingerichtet, nicht von einem frustrierten Liebhaber gekillt. Da lege ich beide
Hände für ins Feuer.«
Christian stimmte ihm zu: »Wir müssen herausfinden, was der Mörder
in Petersens Zimmer gesucht hat. Warum er Laptop und Handy mitgenommen hat. Das
berufliche Umfeld spielt eine Rolle, da verwette ich meinen Arsch. Auch wenn
dieser Petersen nur ein kleiner Volontär war, er ist auf irgendetwas gestoßen,
er wusste etwas, was er nicht hätte wissen sollen.«
»Genau wie Sofia Suworow. Die weiß auch was. Und das Bindeglied
zwischen beiden ist Danylo Savchenko. Der weiß auch was.« Pete
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