Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
Vom Netzwerk:
für Sauna.
    »Hier gibt es noch viel mehr als ein ›Banja‹«, antwortete die Frau.
Sie geleitete Sofia um die beiden Ecken, die Treppe hinauf durch den dunklen,
langen Gang.
    Als die Haustür hinter ihr zufiel, war Sofia allein auf der schlecht
beleuchteten Straße. Kein Mensch war zu sehen. Es hatte zu nieseln begonnen.
Sofia fröstelte, obwohl es hier viel wärmer als in Bremen war. Sie schlug den
Kragen ihrer Jacke hoch, ging zu ihrem Fahrrad, schloss es auf und fuhr los.
Das schleifende Geräusch des Dynamos begleitete sie durch die Nacht.

 
    Ramatuelle, Südfrankreich.
    Danylo saß am Pool und starrte in den Sternenhimmel. Den
ganzen Tag hatte er versucht zu üben, doch er konnte sich nicht konzentrieren.
Also war er mit dem Fahrrad zum Tahiti-Strand bei Saint-Tropez gefahren, die
paar Kilometer den Berg hinunter und nach zwei gelangweilten Stunden zwischen
den ersten Touristen des Jahres den Berg wieder hinauf. Lediglich der mühsame
Anstieg hinauf zum Dorf in der hier schon sehr warmen Frühlingssonne hatte ihn
kurzfristig von seinen Problemen abgelenkt.
    Nach der Nacht, in der Sofia ihn im ›Crazy Horst‹
aufgelesen und in ihrem Hotel untergebracht hatte, war er zu seiner Wohnung in
Winterhude gefahren. Sofia hatte noch geschlafen, ermüdet von dem langen
nächtlichen Gespräch. Er hatte ihr nicht mal einen Zettel hingelegt, war
einfach so gegangen. Da dachte er noch, dass sie sich am Abend zum Konzert
sehen würden. Doch als er nach Hause kam, überfiel ihn Panik. Seine Wohnung war
aufgebrochen und durchwühlt worden, die Schubladen herausgerissen, der Schrank
geöffnet, Kleider und Noten auf dem Boden verstreut. Unter Schock begann er
aufzuräumen. Danylo hasste Unordnung, besonders an Tagen, an denen in ihm das
Chaos tobte. Dann musste alles an seinem Platz sein, damit er im Gleichgewicht
blieb. Während er die Noten zurück ins Regal sortierte, wurde ihm schlagartig
klar, dass er nicht in Hamburg bleiben konnte. Der Mann, der bei ihm
eingebrochen war, konnte wiederkommen. Außerdem würde sicher bald die Polizei
bei ihm auftauchen. Schließlich war er oft genug an Hennings Seite gesehen
worden. Man kannte ihn, und er hatte sich an dem bewussten Abend im ›Crazy
Horst‹ äußerst verdächtig benommen. Er konnte sich nicht erinnern, was er im
Suff dort alles ausgebrabbelt hatte. Er musste verschwinden, am besten ganz
raus aus Deutschland. Danylo überlegte nicht lange und rief einen befreundeten
dänischen Dirigenten an, der ein kleines Ferienhaus mit Pool in Südfrankreich
besaß und es Danylo schon mehrfach zum Entspannungsaufenthalt zwischen den
Konzertreisen angeboten hatte. Zum Glück erreichte er ihn sofort, und das Haus
war frei. Danylo packte in Windeseile eine kleine Reisetasche, fuhr mit dem
Taxi zum Bahnhof und bestieg den nächsten Zug nach Paris, von wo aus er mit dem
TGV nach Süden fuhr.
    Hier fühlt er sich sicher, nur sein Gewissen quälte ihn. Henning war
tot, und Sofia hatte ihn sicher abgeschrieben, nachdem er sie bei dem Konzert
hängen gelassen hatte. Am Tag seiner Flucht hatte er das Konzert völlig
vergessen, es war ihm erst am späten Abend, als er in Saint-Tropez ankam,
wieder eingefallen. Sofia hatte ihm mehrere wütende Nachrichten auf der Mailbox
seines Handys hinterlassen. Auch wenn sie Verständnis für seine Situation
aufbrachte, war sie stinksauer, dass er sie, ohne Bescheid zu geben, auf der
Bühne im Stich gelassen hatte. Ihre letzten Anrufe klangen jedoch eher besorgt.
Sie bat dringend um Rückruf, wollte wissen, ob es ihm gut gehe.
    Die ersten beiden Tage in Ramatuelle hatte er nicht an Sofia gedacht.
Er wusste, dass er sich wie ein egoistisches Arschloch benahm, aber es war ihm
egal. Er hatte Angst. Die nächsten beiden Tage rief er nicht zurück, weil er
ihre Wut und Vorhaltungen fürchtete. Gestern endlich hatte er bei ihr in Bremen
angerufen. Sogar zwei Mal. Jedes Mal war er froh gewesen, dass sie nicht
ranging. Wenn er ehrlich war, wollte er nicht mit ihr sprechen und ihr schon
gar nicht unter die Augen treten. Er schämte sich entsetzlich. Weil er ein
Feigling war. Weil er das getan hatte, was er getan hatte und sie seit seinem
Geständnis im Suff alles wusste. Sie würde ihn verachten. Vielleicht sogar
hassen. Auch wenn sie in der Nacht, soweit er sich überhaupt erinnern konnte,
kein Wort zu seinen Verfehlungen gesagt hatte. Vielleicht hatte sie ihm nicht
geglaubt. Aber inzwischen würde sie wissen, dass er die Wahrheit gesagt hatte.
Sicher hasste sie

Weitere Kostenlose Bücher