Parasiten
hat sie sich vor mich geworfen. Du, Alina und sie, ihr
wart die Einzigen, die mich nicht wie den letzten Dreck angesehen haben, das
vergesse ich nicht. Also. Was kann ich für euch tun?«
Sofia war erleichtert, dass Vadim die Dinge nicht verkomplizierte
und von ihr erwartete, im Namen der Familie zu Kreuze zu kriechen. Sie erzählte
ihm von Alinas Verschwinden. Er hörte zu, ohne sie auch nur einmal zu
unterbrechen. Sofia hatte den Eindruck, dass es ihm schwerfiel. Als sie alles
erzählt hatte, was sie von Dana und Silvia wusste, fragte er sie: »Wieso bist
du aus Bremen hierhergekommen? Was glaubst du, tun zu können? Eine Geigerin,
die seit Jahren in Deutschland lebt und von der Situation in Moldawien nichts
weiß, rein gar nichts!«
Sein verächtlicher Ton ärgerte sie. »Alina ist meine Schwester. Ich
liebe sie! Und die Polizei tut nichts!«
»Natürlich tut sie nichts! Außer die Hand aufhalten. Weißt du,
wieso? Weil sie von ihrem Gehalt die Familie nicht ernähren kann!«
Sofia war genervt. »Ich bin nicht hergekommen, um mit dir sozial-
oder volkswirtschaftliche Studien anzustellen!«
»Warum dann?« Er sah sie spöttisch an.
»Weil ich sicher bin, dass Alina etwas passiert ist. Und weil ich
weiß, dass du Kontakte in … gewisse Kreise hast«, fügte sie fast trotzig hinzu.
»Laber nicht blöd rum. Du meinst kriminelle Kreise. Unterwelt.
Abschaum.«
Sofia nickte.
»Und du willst, dass ich rumfrage, ob jemand was weiß.«
Sofia nickte wieder.
»Und du bist sicher, dass sie sich nicht einfach abgesetzt hat? Raus
aus dem Scheiß-Moldawien, ab ins gelobte Land, wo immer es auch liegen mag?
Hauptsache, westwärts?«
»Garantiert nicht. Das hätte sie mir gesagt.«
Vadim lachte. »Hat sie dir auch gesagt, dass sie in den letzten zwei
Jahren oft mit mir ausgegangen ist? Hierher und in andere Clubs?«
Sofia schüttelte überrascht den Kopf: »Ist das hier der richtige Ort
für Alina?«
»Was willst du, hier gibt es sogar Klopapier auf den Toiletten! Das
kann man von den meisten anderen Bars in Chişinău
nicht behaupten.« Vadim grinste. »Alina ist locker drauf, nicht so verspießt
wie der Rest unserer Familie. Und keine Panik, ich passe auf sie auf, wenn sie
mit mir unterwegs ist.«
»Pech, dass du nicht mit ihr im ›Black Elephant‹ warst. Von da ist
sie nämlich letzte Nacht verschwunden.«
Vadims Grinsen erlosch. »Ich mag Alina sehr. Mehr als das. Sie ist
auch für mich wie eine kleine Schwester. Ich finde sie, versprochen. Und wenn
hier irgendein kleiner Dreckskerl seine Griffel an sie gelegt hat … den finde
ich auch innerhalb eines Tages. Und dann Gnade ihm Gott. Reicht dir das fürs
Erste?«
Sofia zögerte. »Und wenn es kein Dreckskerl von hier war?«
Vadim setzte das Whiskyglas ab, aus dem er gerade trinken wollte,
und fixierte Sofia. »Wie soll ich das verstehen?«
Sofia rutschte auf ihrem Cocktailsessel hin und her. »Das war nur so
dahergeredet.«
»Hör zu, Sof, wenn ich dir helfen soll, musst du alles auf den Tisch
packen. Wenn du dazu nicht bereit bist, verpiss dich.« Vadim machte Anstalten,
sich zu erheben, doch Sofia hielt ihn mit der Hand am Unterarm fest.
»Entschuldige, du hast ja recht. Es ist nur … Ich weiß es eben nicht
genau.«
Sie erzählte ihm von der Nacht mit Danylo. Vom gewaltsamen Tod
seines Liebhabers. Von seinem Verschwinden. Von dem Mann mit dem russischen
Akzent, der ihre Wohnung auf der Suche nach irgendeinem ominösen Band
durchwühlt, sie zusammengeschlagen und ihre Familie bedroht hatte.
»Scheiße, Cousinchen, in was bist du da reingeraten?« Vadim sah
plötzlich nicht mehr so selbstsicher aus.
»Das habe ich mich auch schon gefragt.«
Die Frau, die Sofia zu Vadim gebracht hatte, trat an den Tisch und
tippte Vadim auf die Schulter. »Du sollst ins ›Banja‹ kommen. Der Chef ist an
der heißen Braut interessiert, die hier bei dir sitzt.«
Sofort erhob sich Vadim. »Du gehst jetzt hinaus, ohne mit jemandem
ein Wort zu wechseln. Gib mir deine Handynummer, ich melde mich morgen bei
dir«, sagte er zu Sofia.
»Ruf mich bei meinen Eltern an, ich habe in der Hektik mein Handy in
Bremen liegengelassen«, bat Sofia.
Vadim nickte. Dann wandte er sich an die Frau. »Bring sie hinaus.
Ohne Umwege.«
Vadim ging eilig auf eine mit grünem Leder bespannte Tür neben der
Bar zu und verschwand dahinter. Sofia folgte unter den neugierigen Blicken
einiger Gäste der Frau. »Hier gibt es ein ›Banja‹?«, fragte sie. ›Banja‹ war
das russische Wort
Weitere Kostenlose Bücher