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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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gar nicht hingehören, dann fragt man sich, ob man irre wird. Man will
das natürlich nicht glauben und schiebt es auf alle möglichen Dinge: Stress,
Alkohol, Drogen … Aber die Angst ist da. Das Fremde in dir. Und das nächste
Mal, wenn es kribbelt auf oder unter der Haut, dann schaust du ganz genau hin.
Und du siehst es wieder. Du siehst es ganz genau. Ein Wurm schiebt sich durch
deinen Körper. Nicht nur einer. Inzwischen hat er sich vermehrt. Es sind viele.
Da ist einer im rechten Arm, aber im linken Arm sind es schon zwei, und sie
glitschen nach oben zu deiner Achselhöhle, und wenn sie dort sind, dann werden
sie deinen Hals erreichen und dein Herz. Und in den Beinen sind auch welche,
sie kriechen und nagen sich durch deine Lenden und den Bauch, und alle ziehen
sie Richtung Herzgegend, als gäbe es da etwas Besonderes. Und dann auf einmal
begreifst du, dass du sie aufhalten musst, denn wenn sie da ankommen, dann
werden sie alles verstopfen oder kaputt machen oder auffressen, und du wirst
sterben. Es ist ja schon ekelhaft genug, dass sie in deinem Körper sind und ihn
bevölkern, aber du willst nicht auch noch daran sterben, es reicht ja schon,
dass dir permanent schlecht ist. Also wird dir klar, dass du etwas tun musst,
du musst sie fangen, bevor sie dich auffressen und sich noch mehr vermehren,
weil jetzt sind es ja nicht mehr nur Milben und Würmer, nun sind auch Käfer
dazugekommen, und du weißt genau, es wird mit den Käfern sein wie mit den
Milben und Würmern, auch die Käfer werden sich vermehren, und die haben
Beißwerkzeuge, mit denen sie deine Zellen und Fasern und Sehnen durchtrennen
werden, alles, was sich ihnen in den Weg stellt, das werden sie durchbeißen,
und du hast nur die eine Chance. Du musst sie einzeln rauspulen oder alle auf
einmal töten, indem du eine gehörige Portion Pestizid trinkst.

 
    12. April 2010
Gomel, Weißrussland.
    Sofia war nicht mehr Herrin ihrer Sinne. Sie durchlebte
die letzten vierundzwanzig Stunden wie in einem bösen Traum, sah weder Sonne
noch Mond, noch konnte sie Wahn und Wirklichkeit unterscheiden. Das Einzige, an
das sie sich deutlich erinnerte, waren die vergeblichen Versuche des Bosses in
Chişinău gewesen, sie zu vergewaltigen.
Wann hatte das stattgefunden? Gerade eben? Vor Jahren? Niemals oder im Leben
einer anderen Frau?
    Er hatte sie von seinem Laufburschen baden lassen. Dabei war sie von
fremden Händen angefasst worden, die sie eingeseift hatten, auch an intimen
Stellen. Der Gorilla hatte zotige Bemerkungen gemacht, als er mit seinen
Wurstfingern zwischen ihre Beine geglitten war, aber aus Angst vor seinem Boss
nicht gewagt, sie zu vergewaltigen, obwohl ihm deutlich nicht nur der Sinn danach
stand. Sofia hatte nach ihrem ersten verzweifelten Aufbäumen alles
widerstandslos über sich ergehen lassen. Vadim war vermutlich tot, und sie
hatte versagt. Alina konnte sie nicht retten, sie konnte nicht mal sich selbst
retten. Was hatte sie sich nur gedacht? Woher hatte sie die Arroganz genommen,
in ihrem ihr fremden Heimatland die Gewichte der Macht verschieben zu wollen?
Wie dumm sie war! Stattdessen hatte sie nackt in einer Badewanne gelegen und
war gewaschen worden wie ein Säugling. Sofia hatte versucht, die
Embryonalstellung einzunehmen, sie hatte gewimmert wie ein Baby, hatte irgendwo
in einer frühkindlichen Zeitfalte ihrer Psyche Zuflucht gesucht.
    Als sie gesäubert und eingeölt war, hatte man ihr eine Spritze
verabreicht. Danach hatte sie sich besser gefühlt. Leichter. Gleichgültiger.
Man hatte sie in ein Zimmer gebracht mit einem großen Bett unter einem
weinroten Samtbaldachin, an das erinnerte sie sich. Es war eine schöne, schwere
Farbe gewesen, da über ihr. Und dann war der Boss gekommen, und die
Kassettentür aus Eichenholz war leise hinter ihm geschlossen worden, und er
hatte sich ausgezogen, er wirkte irgendwie lächerlich auf sie, gar nicht Furcht
einflößend, und sie hatte lachen müssen, und er hatte sie geschlagen und dann
versucht, sie zu nehmen, mit seinem kleinen schlaffen Pimmel, aber es war ihm
nicht gelungen, und dann hatte er sie wieder geschlagen, als sei sie schuld
daran gewesen, und dann hatte er auf das Laken gepisst, ganz so, als würde
seine Mama am nächsten Morgen kontrollieren, ob es eine bestimme Nässe gäbe,
die man mit dem Laken als Fahne des Triumphes in die Öffentlichkeit hängen
könnte. Das war demütigend gewesen. Aber während des ganzen Vorgangs, denn es
war nicht mehr gewesen als ein Vorgang, hatte sie

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