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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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Insekten so manchen Deliriums wider. Aus der Toilette drang ein hingebungsvolles Kotzen, unterbrochen von einem gestöhnten »Großer Gott!«, wonach die Tortur weiter ihren Lauf nahm.
    Draußen war es frisch und still. Jemand führte seinen Hund aus, der an jedem Laternenpfahl und an jedem Baum stehenblieb und schnüffelte, ein Radfahrer fuhr Zickzack über die leere Straße, ein Auto mit eingebauter Diskothek dröhnte vorbei, von den Insassen waren nur die Zähne zu sehen. Die Restaurants und Snackbars waren noch offen, Marijken wollte irgendwo noch einen Happen essen. Sie betraten eine weißgekachelte, nach Fett riechende Snackbar, wo sie in aller Stille Marijkens Lieblingssandwich verzehrten, ein Durcheinander aus Ingredienzien, dafür scharf gewürzt. Auf einer Tafel stand mit Schnörkelschrift geschrieben: Falafal ist ein Originalrezept aus Ägypten, aus den Zeiten Josefs (die sieben fetten und sieben mageren Jahre). Es schmeckte tatsächlich so, als stammte es aus den mageren Jahren.
    So eintönig die Menüs der Snackbars gemeinhin sind, so abwechslungsreich ist die Rechtschreibung bei den Namen der Gerichte. Vor allem die Koteletts entziehen sich einer eindeutigen Orthographie. Kein anderes Wort wird derart mißhandelt.
    Sie gingen, das heißt, Marijken watschelte und der Teppichhändler stolzierte mit ausholenden Schritten, zu ihrem Haus, wo sie die Mahlzeit sofort erbrach. Ihre Wohnung war aufgeräumt, alles war abgestaubt. Sogar seinen Teppich hatte sie sauber gemacht. Er bemerkte es, als er ihn aufrollte, um ihn sich auf die Schulter zu legen. In gekrümmter Haltung und mit Sabberfäden am Mund kam sie aus der Toilette und spülte sich in der Küche den Mund.
    »Puh!« sagte sie. »Jetzt geht’s mir besser.«
    Sie packte ihre Fettwülste am Bauch und schüttelte sie.
    »Außerdem muß ich auf meine Linie achten!« Sie fing an, sich auszuziehen. Ihre Waden waren mit Krampfadern marmoriert.
    Voller Abscheu und Erregung gleichermaßen sah er ihrer allmählichen Entblößung zu. Jetzt mußte er stark sein. Es war vorbei, und so wich er zurück, als sie ihn am Bart zu ihrem gespitzten Mund ziehen wollte, sein Herz klopfte wild.
    »Komm, gib mir doch einmal einen richtigen Kuß.« Sie pfropfte ihren Mund auf seinen, der von stachligen Haaren umrahmt war, und suchte mit der Zunge nach einer Öffnung zwischen den Abrißhäusern seines Gebisses; sie fand mehrere, nur die richtige war nicht dabei. Er stieß sie zurück. Sie fiel aufs Sofa und lachte laut, ihre Brüste baumelten rechts und links vom Körper herunter, was sehr verführerisch aussah, ihr Bauch wabbelte und die Arme lagen träge ausgebreitet auf der Sofalehne. Die Eingangspforten ihres glitzernden Frauseins, die Innenseiten ihrer Schenkel waren weiß wie Mehl und lagen auch prall wie volle Mehlsäcke da. Ihre Beine waren übersät mit violetten Flecken, die holte sie sich beim ständigen Stolpern, Irgendwo-Anstoßen und Hinfallen: Wie bei allen Alkoholikern schien ihre Welt nur aus Tischkanten und unerklärlichen Ecken zu bestehen. Ansonsten strahlte sie jetzt im Licht, das von draußen kam – das Rollo war nicht heruntergelassen – und das der Mond abgab, der in ihrer Brust leuchtete. Sie streckte die Arme nach ihm aus und winkte ihm mit allen zehn Fingern zu.
    »Komm, mir ist so romantisch.«
    Er schluckte und war drauf und dran, einen Teil seines Verstandes zu verlieren: Sein Blut wurde bereits abwärts gepumpt. Doch schließlich siegte der Ekel über die Erregung, der Entschluß über die Erektion, und er sprach, wobei er sie mit einer wegwerfenden Geste zurückwies, das H-Wort aus.
    Da ihm das lange »u« keine Schwierigkeiten bereitete – er kam auch in der Sprache der Moreanen vor –, und obwohl er das
    »h« nicht aspirierte, sondern mit einem laryngalen Röcheln versah, verstand sie sofort, was er meinte, und nichts auf der Welt hätte ihn auf den Wutausbruch vorbereiten können, der jetzt folgte. Plötzlich vollkommen nüchtern erhob sie sich ganz langsam vom Sofa, die Brille hatte sie noch auf der Nase, und er sah in ihren Augen eine grauenerregende Wut heranwachsen.
    »Ich bin eine was“?« kreischte sie und stürzte auf ihn zu. Sie stieß ein Beistelltischchen um, riß sich am Glastisch, der voller alter und neuer Zeitschriften, Frauenmagazine und Reader’s
    Digest-Hefte in der Mitte des Wohnzimmers stand, das Knie auf, aber die Schramme schien sie nicht zu stören. Zum ersten Mal fiel ihm auf, daß sie etwas größer war als er,

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