Paris, Ein Fest Fürs Leben
Blick zu. Es war komisch, weil er nach alldem meinen Namen falsch buchstabiert hatte. Es war eine der beiden Geschichten, die übriggeblieben waren, nachdem alles, was ich geschrieben hatte, damals in Hadleys Reisetasche auf der Gare de Lyon gestohlen worden war, als sie mir die Manuskripte als Überraschung nach Lausanne mitbringen wollte, damit ich in unseren Ferien in den Bergen an ihnen arbeiten könne. Sie hatte die Originale, das Abgetippte und die Durchschläge alle in Hefter aus Manilahanf gelegt. Der einzige Grund, wieso ich die eine Geschichte noch hatte, war, daß Lincoln Steffens sie an einen Verleger geschickt hatte, der sie zurückschickte. Sie war unterwegs in der Post, während alles übrige gestohlen wurde. Die andere Story, die ich hatte, war die, die Oben in Michigan hieß, die ich geschrieben hatte, ehe Miss Stein zu uns in die Wohnung gekommen war. Ich hatte sie nie abschreiben lassen, weil sie sagte, sie sei inaccrochable . Sie hatte irgendwo in einer Schublade gelegen.
Nachdem wir also aus Lausanne abgereist und nach Italien hinuntergefahren waren, zeigte ich die Rennstory O'Brien, einem sanften, schüchternen Mann. Er war blaß, hatte blaßblaue Augen und glattes, schlichtes Haar, das er sich selbst schnitt, und lebte als Pensionär in einem Kloster oberhalb von Rapallo. Es war damals eine schlimme Zeit, und ich glaubte nicht, daß ich je wieder würde schreiben können, und ich zeigte ihm die Geschiente wie eine Kuriosität, wie man törichterweise jemandem das Kompaßhäuschen seines Schiffes zeigen würde, das auf ganz unglaubliche Weise untergegangen war, oder wie man seinen beschuhten Fuß hochheben und darüber einen Witz machen würde, nachdem er nach einem Unfall amputiert war. Dann sah ich, als er die Geschichte las, daß er viel schmerzlicher davon betroffen war als ich. Ich hatte nie jemanden gesehen, der von irgend etwas - abgesehen von Tod oder von unerträglichen Leiden - so schmerzlich betroffen war, mit Ausnahme von Hadley, als sie mir erzählte, daß alles weg sei. Sie hatte geweint und geweint und konnte es mir nicht erzählen. Ich sagte ihr, ganz gleich, was auch immer Schreckliches passiert sei, nichts könne so schlimm sein, und was immer es auch sei, es sei alles in Ordnung, und sie solle sich nicht grämen. Wir würden schon damit fertig werden. Schließlich erzählte sie es mir. Ich war davon überzeugt, daß sie nicht auch die Durchschläge hatte mitbringen wollen, und ich engagierte jemanden, der anstatt meiner Berichte an die Zeitung schicken würde. Damals verdiente ich sehr gut mit meinem Journalismus und nahm den Zug nach Paris. Es war tatsächlich wahr, und ich erinnere mich an das, was ich in der Nacht tat, nachdem ich die Wohnung betreten hatte und sah, daß es wahr war. Das war jetzt vorbei, und Chink hatte mich gelehrt, nie über Verluste zu sprechen, also sagte ich O'Brien, er solle sich nicht so grämen. Es sei wahrscheinlich gut für mich, daß die früheren Arbeiten verlorengegangen seien, und ich erzählte ihm all das Zeug, womit man Soldaten abspeist. Ich sagte, ich würde wieder anfangen, Stories zu schreiben, und als ich es sagte, wußte ich, obwohl ich nur zu lügen versuchte, damit er sich nicht so grämte, daß es wahr war. Dann begann ich bei Lipp 's daran zu denken, wie ich zum erstenmal wieder fähig gewesen war, eine Story zu schreiben, nachdem ich alles verloren hatte. Es war oben in Cortina d'Ampezzo, als ich zurückkam, um Hadley zu treffen, nachdem ich unser Frühjahrs-Skilaufen hatte unterbrechen müssen, weil man mich zur Berichterstattung ins Rheinland und ins Ruhrgebiet geschickt hatte. Es war eine sehr einfache Geschichte, die Schonzeit hieß, und ich hatte den wirklichen Schluß, daß sich der alte Mann erhängte, weggelassen. Ich hatte es wegen meiner neuen Theorie weggelassen, nach der man alles weglassen konnte, wenn man es bewußt tat, und das Weglassen die Geschichte verstärkte, und man die Leser dadurch mehr fühlen ließ, als sie verstanden.
Gut, dachte ich, jetzt habe ich sie so weit, daß sie sie nicht verstehen können. Darüber kann es kaum einen Zweifel geben. Es ist ganz gewiß keine Nachfrage für sie da. Aber man wird sie ebenso verstehen, wie man Malerei versteht. Es braucht nur Zeit, und man muß Vertrauen haben. Es ist notwendig, sich besser in der Gewalt zu haben, wenn man sich mit dem Essen einschränken muß, damit man nicht zuviel an seinen Hunger denkt. Hunger ist eine gute Disziplin, und man lernt daraus.
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