Paris, Ein Fest Fürs Leben
«Der valet soll sie bügeln, das wird sie trocknen. Es ist nicht nötig, daß sie knochentrocken sind.»
Der Kellner brachte die beiden Whiskies gegen die Erkältungsgefahr, und ich schlürfte meinen und beschwor Scott, seinen langsam zu schlürfen. Ich machte mir jetzt Gedanken, er möge sich erkälten, und jetzt war ich so weit, einzusehen, daß man ihn, wenn er je etwas so definitiv Schlimmes wie eine Erkältung haben sollte, wahrscheinlich ins Krankenhaus schaffen müßte. Aber durch den Whisky fühlte er sich eine Zeitlang wunderbar, und er war glücklich
über die tragischen Verwicklungen seiner und Zeldas erster Nacht der Trennung seit ihrer Hochzeit. Schließlich konnte er nicht länger mit dem Anruf warten, und er zog seinen Morgenrock an und ging hinunter, um das Gespräch anzumelden.
Es würde eine ganze Weile dauern, die Verbindung herzustellen, und kurz nachdem er wieder oben war, erschien der Kellner mit zwei weiteren doppelten Whisky Sour. Soviel hatte ich Scott noch nie trinken sehen, aber sie hatten keine Wirkung auf ihn, außer daß sie ihn angeregter und gesprächiger machten, und er fing an, mir in großen Zügen sein Leben mit Zelda zu erzählen. Er erzählte mir, wie er sie während des Krieges kennengelernt hatte und sie dann verlor und zurückgewann und über ihre Ehe und dann über etwas Tragisches, das ihnen in Saint-Raphael vor ungefähr einem Jahr passiert war. Diese erste Version von Zeldas Liebesaffäre mit einem französischen Marineflieger war wahrlich eine traurige Geschichte, und ich glaube, es war eine wahre Geschichte. Später erzählte er mir andere Versionen davon, als ob er sie zur Verwertung in einem Roman ausprobieren wollte, aber keine war so traurig wie diese erste, und ich glaubte immer an die erste, obschon jede von ihnen hätte wahr sein können. Jedesmal erzählte er sie besser, aber sie schmerzten einen niemals so, wie es die erste getan hatte.
Scott konnte sich sehr klar und deutlich ausdrücken und eine Geschichte gut erzählen. Er brauchte die Worte nicht zu buchstabieren, noch zu versuchen, richtig zu interpunktieren, und man hatte nicht wie beim Lesen seiner Briefe, ehe sie korrigiert waren, das Gefühl, einen Analphabeten vor sich zu haben. Ich kannte ihn zwei Jahre lang, ehe er meinen Namen buchstabieren konnte, aber es war ja auch ein langer Name, und vielleicht wurde es mit der Zeit immer schwerer, ihn zu buchstabieren, und ich zollte ihm große Anerkennung, weil er ihn schließlich richtig buchstabieren konnte. Er lernte wichtigere Dinge zu buchstabieren, und er versuchte, sich über viele andere klar zu werden.
An jenem Abend jedoch wollte er, daß ich wußte und verstand und richtig einschätzte, was es war, was in Saint-Raphael passiert war, und ich sah es so deutlich vor mir, daß ich das einsitzige Wasserflugzeug das Springfloß umschwirren sah und die Farbe des Meeres und die Form der Pontons und den Schatten, den sie warfen, und Zeldas Sonnenbräune und Scotts Sonnenbräune und das Dunkelblond und das Hellblond ihres Haares und das dunkelgebräunte
Gesicht des Jungen, der in Zelda verliebt war. Die Frage, die mir im Sinn war, konnte ich nicht stellen, wie, falls diese Geschichte wahr sei, und es alles geschehen war, Scott jede Nacht mit Zelda im selben Bett geschlafen haben konnte. Aber vielleicht war es das, was es trauriger machte als irgendeine Geschichte, die mir jemals jemand erzählt hatte, oder vielleicht erinnerte er sich einfach nicht, so wie er sich auch nicht an gestern nacht erinnerte.
Unsere Anzüge kamen noch vor dem Anruf, und wir zogen uns an und gingen hinunter zum Essen. Scott schwankte jetzt ein bißchen, und er sah die Leute mit einer gewissen Feindseligkeit aus den Augenwinkeln an. Wir begannen mit sehr guten Schnecken und einer Karaffe Fleurie, und als wir ungefähr halbwegs durch waren, kam Scotts Gespräch. Er war ungefähr eine Stunde fort, und ich aß schließlich seine Schnecken, stippte die Butter, den Knoblauch und die Petersiliensauce mit abgebrochenen Brotstücken auf und trank die Karaffe Fleurie aus. Als er zurückkam, sagte ich, ich würde ihm neue Schnecken bestellen, aber er sagte, daß er keine haben wolle. Er wollte etwas Leichtes. Er wollte weder ein Steak noch Leber mit Speck, noch ein Omelette. Er wollte Huhn essen. Wir hatten mittags sehr gutes kaltes Huhn gegessen, aber dies hier war noch berühmtes Hühnerland, also bestellten wir poularde de Bresse und eine Flasche Montagny, einen leichten,
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