Paris, Ein Fest Fürs Leben
angenehmen Weißwein aus der Gegend. Scott aß sehr wenig und nippte an seinem einen Glas Wein. Bei Tisch wurde er bewußtlos; sein Kopf lag auf den Händen. Es war echt und kein Theater, und es sah sogar so aus, als ob er vorsichtig war, nichts zu verschütten oder zu zerbrechen. Der Kellner und ich schafften ihn hinauf in sein Zimmer und legten ihn aufs Bett, und ich zog ihn bis auf sein Unterzeug aus, hängte seinen Anzug auf, streifte die Decke vom Bett und breitete sie über ihn. Ich öffnete das Fenster und sah, daß es draußen klar war, und ließ das Fenster offen.
Unten beendete ich mein Essen und dachte über Scott nach. Es war klar, daß er überhaupt nicht trinken durfte, und ich hatte nicht gut auf ihn aufgepaßt. Alles, was er trank, schien ihn zu sehr anzuregen und ihn dann zu vergiften, und ich plante, das Trinken am nächsten Tag auf ein Minimum einzuschränken. Ich würde ihm sagen, daß wir jetzt nach Paris zurückkämen und ich enthaltsam sein müsse, um schreiben zu können. Das war nicht wahr. Mein Training bestand darin, niemals nach dem Abendessen zu trinken, noch bevor ich schrieb, noch während ich schrieb. Ich ging hinauf, machte alle
Fenster auf und zog mich aus und schlief gleich ein, sobald ich im Bett war.
Am nächsten Tag, an einem herrlichen Tag, fuhren wir durch die Côte d'Or hinauf nach Paris, in frischer, gewaschener Luft, und die Hügel und die Felder und die Weingärten waren wie neu, und Scott war sehr vergnügt und glücklich und wohl und erzählte mir die Handlung von Michael Arlens sämtlichen Romanen. Michael Arien, sagte er, sei ein Mann, den man im Auge behalten müsse, und er und ich könnten beide viel von ihm lernen. Ich sagte, ich könne seine Bücher nicht lesen. Er sagte, das brauchte ich nicht. Er würde mir die Handlungen erzählen und die Charaktere beschreiben. Er hielt mir eine Art von mündlicher Dissertation über Michael Arien.
Ich fragte ihn, ob er am Telefon eine gute Verständigung gehabt hätte, als er mit Zelda sprach, und er sagte, es sei nicht schlecht gewesen und daß sie sich über vielerlei unterhalten hätten. Bei den Mahlzeiten bestellte ich eine Flasche von dem leichtesten Wein, den ich ausfindig machen konnte, und sagte zu Scott, er täte mir einen großen Gefallen, wenn er mich daran hinderte, mehr zu bestellen, da ich trainieren müsse, ehe ich mit Schreiben begann und unter keinen Umständen mehr als eine halbe Flasche trinken sollte. Er machte großartig mit, und als er mich nervös auf den Rest unserer einen Flasche blicken sah, gab er mit etwas von seinem Teil ab.
Nachdem ich ihn zu Hause abgesetzt und ein Taxi zur Sägemühle genommen hatte, war es wunderbar, meine Frau wiederzusehen, und wir gingen zur Closerie, um etwas zu trinken. Wir waren so glücklich wie Kinder, die getrennt waren und wieder zusammen sind, und ich erzählte ihr von der Reise.
«Aber hattest du denn gar keinen Spaß, und hast du denn nichts gelernt, Tatie?» fragte sie.
«Ich hätte was über Michael Arien gelernt, wenn ich zugehört hätte, und ich habe Dinge gelernt, über die ich mir noch nicht klar bin.»
«Ist Scott denn gar nicht glücklich?»
«Kann sein.»
«Der Arme.»
«Eines habe ich gelernt.»
«Was?»
«Niemals mit irgend jemanden auf die Reise zu gehen, den man nicht lieb hat.»
«Ist das nicht herrlich?»
«Ja, und wir fahren nach Spanien.»
«Ja, jetzt sind es noch knapp sechs Wochen, bis wir fahren. Und dies Jahr lassen wir es uns von keinem verderben, nicht wahr?»
«Nein, und von Pamplona fahren wir nach Madrid und nach Valencia.»
«M-m-m-m», sagte sie leise wie eine Katze.
«Armer Scott», sagte ich.
«Armer Jedermann», sagte Hadley. «Reiche Federkatzen ohne Geld.»
«Wir haben schon tolles Glück.»
«Wir müssen brav sein und es festhalten.»
Wir klopften beide auf den Café-Tisch, und der Kellner kam heran, um zu sehen, was wir wollten. Aber was wir wollten, konnte weder er noch sonst jemand noch Klopfen gegen Holz oder Marmor, woraus die Platte dieses Tisches bestand, uns bringen. Aber an jenem Abend wußten wir das nicht, und wir waren sehr glücklich.
Ein oder zwei Tage nach der Reise brachte uns Scott sein Buch herüber. Es hatte einen grellen Schutzumschlag, und ich erinnere mich, daß ich von der Häßlichkeit, dem schlechten Geschmack und dem schlüpfrigen Aussehen peinlich berührt war. Es sah wie der Schutzumschlag eines schlechten utopischen Romans aus. Scott
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