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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Drecksblatt, und es be- deutet dir überhaupt nichts, daß ich sterbe.»

    «Willst du, daß ich einen Arzt rufe?»

    «Nein. Ich will keinen schmutzigen französischen Provinzarzt.»

    «Was willst du denn?»

    «Ich will gemessen werden. Dann will ich, daß meine Sachen getrocknet werden und daß wir einen Express-Zug nach Paris nehmen, und ich will ins Amerikanische Krankenhaus in Neuilly.»

    «Unsere Sachen werden nicht vor morgen früh trocken sein, und Express-Züge gibt es nicht», sagte ich. «Warum ruhst du dich nicht aus und ißt dein Abendessen im Bett?»

    «Ich will gemessen werden.»

    Nachdem dies eine ganze Weile so gegangen war, brachte der Kellner ein Thermometer.

    «Ist dies das einzige, das Sie bekommen konnten?» fragte ich. Scott hatte die Augen geschlossen, als der Kellner hereinkam, und er

    sah zum mindesten so weit hinüber aus wie Camille. Ich habe nie einen Menschen gesehen, dessen Blut so schnell aus seinem Gesicht schwand, und ich überlegte, wo es wohl bliebe.

    «Das ist das einzige im Hotel», sagte der Kellner und reichte mir das Thermometer. Es war ein Badethermometer mit einer hölzernen Rückseite und genügend Metall, um im Bad unterzusinken. Ich nahm einen kräftigen Schluck Whisky Sour und öffnete einen Augenblick das Fenster, um in den Regen hinauszusehen. Als ich mich umdrehte, beobachtete mich Scott.

    Ich schüttelte das Thermometer sachgemäß herunter und sagte: «Du hast Glück, daß es kein Rektalthermometer ist.»

    «Wo steckt man so ein Ding hin?»

    «Unter den Arm», sagte ich zu ihm und steckte es unter meinen Arm.

    «Bring die Temperatur nicht durcheinander», sagte Scott.

    Ich schlug das Thermometer mit einem einzigen Ruck hinunter und knöpfte seine Pyjamajacke auf und schob das Instrument in seine Achselhöhle, während ich seine kühle Stirn befühlte und dann nochmals seinen Puls zählte. Er starrte unverwandt geradeaus. Sein Puls war zweiundsiebzig. Ich ließ das Thermometer vier Minuten lang drin.

    «Ich dachte, man läßt es nur eine Minute drin», sagte Scott.

    «Dies ist ein großes Thermometer», erklärte ich. «Man multipliziert mit dem Quadrat der Größe des Thermometers. Es ist ein hundertgradiges Thermometer.»

    Schließlich nahm ich das Thermometer heraus und nahm es hinüber unter die Leselampe.

    «Wieviel ist es?»

    «Siebenunddreißig und sechs Zehntel.»

    «Was ist normal?»

    «Das ist normal.»

    «Bist du sicher?»

          «Ganz sicher.»

    «Versuch's mal bei dir. Ich muß sichergehen.»

    Ich schüttelte das Thermometer herunter und öffnete meine Pyjamajacke und steckte das Thermometer in meine Achselhöhle, und hielt es da, während ich auf die Uhr blickte. Dann sah ich es mir an.

          «Wieviel ist es?» Ich betrachtete es aufmerksam.

    «Genau dasselbe.»

    «Wie fühlst du dich?»

    «Ausgezeichnet», sagte ich und suchte mich zu erinnern, ob siebenunddreißig sechs wirklich normal war oder nicht. Es machte nichts aus, denn das Thermometer stand unverändert auf dreißig.

    Scott war etwas mißtrauisch, deshalb fragte ich ihn, ob er wünsche, daß ich noch eine zweite Probe machen solle.

    «Nein», sagte er, «wir können froh sein, daß es sich so schnell gegeben hat. Ich habe immer die Fähigkeit gehabt, mich rasch zu erholen.»

    «Es geht dir ausgezeichnet», sagte ich, «aber ich glaube, es wäre genausogut, wenn du im Bett bleibst und etwas Leichtes zu Abend ißt, und dann können wir morgen früh aufbrechen.» Ich hatte geplant, uns Regenmäntel zu kaufen. Aber dafür hätte ich mir Geld von ihm borgen müssen, und ich wollte jetzt nicht mit ihm darüber diskutieren.

    Scott wollte nicht im Bett bleiben. Er wollte aufstehen, sich anziehen und hinuntergehen und Zelda anrufen, damit sie wisse, daß es ihm gut ginge.

    «Warum soll sie denn denken, daß es dir nicht gutgeht?»

    «Dies ist die erste Nacht, seit wir verheiratet sind, die ich von ihr getrennt geschlafen habe. Und ich muß sie sprechen. Du kannst doch verstehen, was es für uns beide bedeutet, nicht wahr?»

    Das konnte ich schon, aber ich konnte nicht verstehen, wie er und Zelda in der vergangenen Nacht zusammen geschlafen haben konnten, aber darüber ließ sich nicht diskutieren.

    Scott trank den Whisky Sour jetzt sehr schnell hinunter und bat mich, einen zweiten zu bestellen. Ich fand den Kellner und gab ihm das Thermometer zurück und fragte ihn, was unsere Anzüge machten. Er meinte, sie könnten wohl in einer Stunde trocken sein.

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