Paris, Ein Fest Fürs Leben
Scottie sorgen würde. Ich wußte nicht recht, wie ich für sie sorgen sollte, da es mir sauer genug wurde, für Hadley, meine Frau, und unseren kleinen Sohn Bumby zu sorgen, aber ich sagte, ich würde mein möglichstes tun, und Scott dankte mir. Ich sollte achtgeben, daß Zelda nicht tränke und daß Scottie eine englische Gouvernante bekäme.
Wir hatten unsere Anzüge zum Trocknen gegeben und waren in Pyjamas. Draußen regnete es immer noch, aber im Zimmer bei elektrischem Licht war es ganz behaglich. Scott lag im Bett, um seine Kräfte für den Kampf gegen die Krankheit zu schonen. Ich hatte seinen Puls gezählt, 72 in der Minute, und hatte seine Stirn angefühlt, die kühl war. Ich hatte seine Brust abgehorcht und ihn tief atmen lassen, und sein Atem hörte sich ganz normal an.
«Hör mal, Scott», sagte ich, «du bist völlig okay. Das Beste, was du tun kannst, damit du keine Erkältung bekommst, ist einfach im Bett bleiben. Ich bestelle uns jedem eine Zitronenlimonade und einen Whisky, und du nimmst ein Aspirin mit deinem und wirst dich großartig fühlen und bekommst noch nicht einmal einen Schnupfen.»
«Diese Altweibermittel», sagte Scott.
«Du hast keine Temperatur. Zum Teufel noch mal, wie willst du ohne Temperatur Lungenkongestion haben?»
«Beschimpf mich nicht», sagte Scott. «Woher weißt du, daß ich keine Temperatur habe?»
«Dein Puls ist normal, und du fühlst dich nicht fiebrig an.»
«Fühlst dich nicht an», sagte Scott verbittert. «Wenn du wirklich mein Freund bist, besorgst du mir ein Thermometer.»
«Ich bin im Pyjama.»
«Laß eins besorgen.»
Ich klingelte nach dem Kellner. Er kam nicht, und ich klingelte noch mal, und als er immer noch nicht kam, ging ich den Flur hinunter, um ihn zu suchen. Scott lag mit geschlossenen Augen da; er atmete langsam und behutsam und sah mit seiner wächsernen Farbe und seinen vollkommenen Zügen wie ein kleiner toter Kreuzritter aus. Ich hatte genug vom literarischen Leben, wenn das, was ich da führte, ein literarisches Leben war, und ich vermißte bereits meine Arbeit, und ich fühlte die Einsamkeit des Todes, die am Ende eines jeden Tages kommt, den man in seinem Leben vertan hat. Ich hatte nun genug von Scott und seiner dämlichen Komödie, aber ich fand den Kellner und gab ihm Geld, um ein Thermometer und eine Röhre mit Aspirin zu kaufen, und bestellte zwei citrons pressés und zwei doppelte Whisky. Ich versuchte, eine Flasche Whisky zu bestellen, aber sie wollten ihn nur glasweise verkaufen.
Ich ging ins Zimmer zurück, und Scott lag immer noch wie auf seinem Grab, in Stein gehauen, sein eigenes Denkmal, mit geschlossenen Augen, und atmete mit vorbildlicher Würde.
Als er mich ins Zimmer kommen hörte, sprach er: «Hast du das Thermometer bekommen?»
Ich ging zu ihm hinüber und legte meine Hand auf seine Stirn. Sie war nicht so kalt wie das Grab, sie war kühl und nicht schweißig.
«Nix», sagte ich.
«Ich dachte, du hättest es gebracht.»
«Ich habe jemand danach geschickt.»
«Das ist nicht dasselbe.»
«Nein. Das ist es nicht, nicht wahr?»
Man konnte Scott nicht böse sein, ebensowenig wie man einem Verrückten böse sein kann, aber ich wurde wütend auf mich selbst, weil ich mich in diese alberne Geschichte eingelassen hatte.
Es war aber etwas dran, und ich wußte es recht gut. Die meisten Säufer starben damals an Schwindsucht, einer Krankheit, die heutzutage beinahe völlig ausgemerzt ist. Aber man konnte ihn schwerlich als Säufer bezeichnen, da so geringe Mengen Alkohol auf ihn wirkten.
Damals hielten wir in Europa Wein für etwas so Gesundes und Normales wie Essen und auch für einen großen Spender von Glück, Wohlbefinden und Entzücken. Weintrinken war weder Snobismus noch ein Zeichen von feiner Lebensart, noch ein Kult. Es war ebenso natürlich wie Essen und für mich ebenso notwendig. Es wäre mir nie eingefallen, eine Mahlzeit ohne Wein, Apfelwein oder Bier zu mir zu nehmen. Ich mochte alle Weine gern bis auf süße oder süßliche Weine oder Weine, die zu schwer waren, und es wäre mir nie der Gedanke gekommen, daß einige gemeinsam geleerte Flaschen eines ziemlich leichten, herben weißen Mâcon in Scott eine chemische Veränderung hervorrufen könnten, die ihn zum Narren machten. Am Morgen hatten wir den Whisky mit Perrier getrunken, aber da ich damals nicht viel von Alkoholikern verstand, konnte ich mir nicht vorstellen, daß ein Whisky irgend jemandem schaden
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