Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
konnte, der im Regen in einem offenen Auto fuhr. Der Alkohol mußte in sehr kurzer Zeit abgebaut sein.

    Während wir auf den Kellner warteten, der die verschiedenen Sachen bringen sollte, saß ich und las eine Zeitung und leerte eine der Flaschen Mâcon, die bei dem letzten Aufenthalt entkorkt worden war.

    Es gibt immer ein paar großartige Verbrechen in den Zeitungen, die man Tag für Tag verfolgen kann, wenn man in Frankreich lebt. Diese Verbrechen lesen sich wie Fortsetzungsromane, und es ist wesentlich, die Anfangskapitel gelesen zu haben, da keine Inhaltsangaben geliefert werden wie bei amerikanischen Fortsetzungsromanen, und selbst so ein Roman in einer amerikanischen Zeitschrift ist keinesfalls so gut, wenn man nicht das überaus wichtige erste Kapitel gelesen hat. Wenn man durch Frankreich reist, sind die Zeitungen enttäuschend, weil man um die Vorgeschichten der verschiedenen

    crimes, affaires oder scandales gebracht wird, und man kommt um viel Vergnügen, das man beim Lesen in einem Cafe von ihnen hat. Heute abend wäre ich sehr viel lieber in einem Cafe gewesen, wo ich die Morgenausgaben der Pariser Zeitungen hätte lesen können und die Leute hätte beobachten können und vor dem Essen etwas Gewichtigeres zu trinken gehabt hätte als den Mäcon. Aber ich hatte auf Scott aufzupassen, also vergnügte ich mich, wo ich war.

    Als der Kellner mit den zwei Gläsern mit dem ausgepreßten Zitronensaft und Eis, den Whiskies und der Flasche Perrier erschien, sagte er zu mir, daß die Apotheke geschlossen sei und er kein Thermometer bekommen könne. Er habe sich etwas Aspirin geborgt. Ich bat ihn, er solle doch zusehen, ob er sich ein Thermometer borgen könne.

    Scott öffnete die Augen und warf einen unheilvollen irischen Blick auf den Kellner.

    «Hast du ihm gesagt, wie ernst es ist?» fragte er.

    «Ich glaube, er hat es verstanden.»

          «Bitte versuche, es ihm klarzumachen.»

    Ich versuchte, es ihm klarzumachen, und der Kellner sagte: «Ich bringe Ihnen, was ich kann.»

    «Hast du ihm auch genug Trinkgeld gegeben? Sie arbeiten nur für Trinkgelder.»

    «Das wußte ich nicht», sagte ich. «Ich dachte, daß das Hotel ihnen noch nebenbei was bezahlt.»

    «Ich meine eben, daß sie nur gegen ein ansehnliches Trinkgeld etwas für dich tun. Die meisten von ihnen sind durch und durch korrupt.»

    Ich dachte an Evan Shipman, und ich dachte an den Kellner in der Closerie, den man gezwungen hatte, seinen Schnurrbart abzunehmen, als sie eine American Bar in der Closerie aufmachten, und daß Evan draußen in seinem Garten in Montrouge gearbeitet hatte, lange ehe ich Scott kennenlernte, und was wir alle in der Closerie für gute Freunde waren und lange Zeit gewesen waren, und an all die Veränderungen, die gemacht worden waren, und was sie uns allen bedeuteten. Ich wollte gelegentlich Scott das ganze Problem von der Closerie erzählen, obgleich ich es wahrscheinlich ihm gegenüber schon mal erwähnt hatte, aber ich wußte, daß er sich nichts aus Kellnern und ihren Problemen noch ihrer großen Gutmütigkeit und ihren Zuneigungen machte. Zu jener Zeit haßte Scott die Franzosen,

    und da Kellner, Chauffeure, Garagenangestellte und Hauswirte, die er nicht verstand, fast die einzigen Franzosen waren, mit denen er dauernd zu tun hatte, fand er reichlich Gelegenheit, sie zu beleidigen und zu beschimpfen.

    Er haßte die Italiener noch mehr als die Franzosen und konnte, selbst wenn er nüchtern war, nicht ruhig über sie sprechen. Engländer haßte er häufig auch, aber manchmal ließ er sie gelten, und gelegentlich sah er zu ihnen auf. Ich weiß nicht, was er Deutschen und Österreichern gegenüber empfand. Ich weiß nicht, ob er damals je welche - oder auch Schweizer - getroffen hatte.

    An diesem Abend im Hotel war ich hocherfreut, weil er so friedlich war. Ich hatte den Zitronensaft mit dem Whisky vermischt und hatte ihm das mit zwei Aspirins gegeben, und er hatte die Aspirins ohne Protest und mit bewundernswerter Ruhe geschluckt und schlürfte seinen Drink. Seine Augen waren jetzt offen und blickten ins Weite. Ich las das crime im Innenteil der Zeitung und war vollkommen glücklich, zu glücklich anscheinend.

    «Du bist gefühllos, nicht wahr?» fragte Scott, und als ich ihn anblickte, sah ich, daß ich mich mit meiner Verordnung, wenn nicht sogar mit meiner Diagnose geirrt hatte und daß der Whisky gegen uns arbeitete.

    «Wie meinst du das, Scott?»

    «Du sitzt da und liest dies französische

Weitere Kostenlose Bücher