Paris ist eine Messe wert
meine Kutsche.
In Saint-Denis angelangt, wollte ich mich in meiner Verkleidung nicht am Hof zeigen, damit ligistische Spione, die sich dort sicherlich eingeschlichen hatten, mich bei meiner Rückkehr nach Paris nicht entlarven könnten. Und weil außer dem König nur zwei Personen, Duplessis-Mornay und der Großprior, wußten, |259| wer sich hinter dem Handelsmann verbarg, schickte ich Miroul aus, sich bei den Passanten nach der Wohnung des einen und des anderen zu erkundigen. Als ich jedoch beide nicht zu Hause antraf und ihre Leute keine Ahnung hatten, wann sie kämen, war ich in großer Verlegenheit, weil ich weder wußte, wie ich den König erreichen, noch wo ich wohnen sollte, alle Herbergen waren von königlichen Offizieren überfüllt. Diese Sorge wälzend, saß ich in meiner Kutsche auf dem Halteplatz in der Hauptstraße von Saint-Denis und schaute durchs offene Fenster auf die Passanten oder, ehrlich gesagt, mehr auf die Passantinnen, Jungfern und Frauen. Und meine geringe Tugend wurde vom Himmel belohnt, denn auf einmal erbebte ich vor Freude und legte meine Hand auf die von Miroul.
»Miroul«, sagte ich, »siehst du die schön geputzte Dame dort des Weges kommen, brünett, schwarze Augen, lebhafter Gang, kräftige Schultern?«
»Eine königliche Erscheinung, Moussu!«
»Geh, mein Lieber, und sage ihr, ›die französische Lerche der Elisabetha Regina‹ sitze in dieser Kutsche eingesperrt, und wenn ihre Ladyship zu kommen beliebte, würde besagte Lerche ihr ein Lied von einigem Interesse singen.«
»Ha, Moussu!« sagte Miroul, »jetzt erkenne ich sie! Wie könnte ich den Tag der Barrikaden je vergessen?«
Er flog wie ein Pfeil, so daß die Dame bei seinem unvermuteten Nahen einen Satz zurück machte und aus ihrem weiten Reifrock eine Pistole zog, die sie aber schnell wieder einsteckte, denn zwei Schritt vor ihr hob Miroul seine Brille, und sie erkannte seine zwiefarbenen Augen. Ich sah sie lachend ihre Raubtierzähne entblößen, und nachdem Miroul ihr etwas geflüstert hatte, kam sie eilends, bestieg meine Kutsche und schloß im Nu den Schlag hinter sich.
»Was, und wieder mal verkleidet, mein Pierre?« rief sie. »Bei Gottes Wunden (ein Fluch, den sie von Königin Elisabeth übernommen hatte), wo habt Ihr in dieser Wolle Eure Lippen?«
»Mylady«, sagte ich, als ich nach ihren Küssen zu Atem kam, »ist die Lerche hier, um gerupft und in Eurem Glutofen geröstet zu werden oder um zu singen?«
»In meinem Glutofen, verdammt!« sagte sie und lachte mit offenem Mund, »das muß ich der Königin erzählen! Sie lacht sich kaputt!«
|260| »Wie geht es Ihrer Majestät?«
»Sehr traurig derzeit«, sagte Mylady Markby, »Walsingham liegt im Sterben, und wo nimmt die Königin einen zweiten so vorzüglichen Diener her? Aber was macht Ihr hier, mein Pierre, in derselben Verkleidung wie in Paris am Tag der Barrikaden?«
»Und was macht Ihr hier, Mylady?«
»London muß über Paris gegen Spanien verteidigt werden, und so bin ich bemüht, die verrückten Franzosen zur Vernunft zu bringen.«
»Was?« sagte ich, »eine Gesandte im Unterrock? Und Lord Stafford?«
»Er wäre an diesem Hof zu auffällig. Während es bei den vielen Unterröcken, die Henri umgeben, auf einen mehr nicht ankommt.«
»Sogar, wenn in seinen Geheimtaschen eine Pistole steckt.«
»Und ein Dolch. Die Heilige Liga mordet so gerne.«
»Und wie geht es meiner guten Lady T.?«
»Sie ist in London, und es geht ihr gut, das muß Euch genügen, Monsieur«, sagte Mylady Markby mit gespieltem Zorn, den sie womöglich sogar verspürte. »Pierre«, fuhr sie fort, »ist der Körper treu wie das Herz?«
»Ich glaube schon.«
»Das werden wir sehen.«
»Was sich wie eine Drohung anhört, Madame, ist mir ein süßes Versprechen.«
»Französische Zunge, goldene Zunge. Noch einmal, Monsieur, was macht Ihr hier?«
»Mylady, ich komme aus Paris, und sobald ich den König gesprochen habe, kehre ich dorthin zurück. Ich will ihn aber im geheimen sprechen, an einem geheimen Ort.«
»Bei mir«, sagte Mylady Markby sogleich. »Wer Henri dient, dient Elisabeth. Und ich werde Euch eine gute Gastgeberin sein, Pierre, wenn auch nicht ganz so gut wie Lady T., aber dafür sehe ich den König zu jeder Tagesstunde.«
»Ich muß ihn dringend sprechen.«
»Morgen, Pierre«, sagte sie in gebieterischem Ton. »Heute abend gehört Ihr mir.«
So fanden meine Kutsche, meine Commis’ und ich eine Unterkunft in dem übervölkerten Saint-Denis, und ich
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