Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
gehört, Kameraden?« rief ich den Lakaien zu, die bei den voreiligen Worten erblaßt waren. »Wenn der Baron von Siorac tot ist, bringt man auch euch auf kürzestem Weg zum Schweigen.«
    »Wer hat das gesagt?« schrie die Vasselière außer sich. »Ge nug geschwatzt, Baron, werft das Kettenhemd ab, oder ich schieße.«
    Was ich tat, wobei ich jedoch achtgab, meine italienischen Dolche im Rock zu verstecken, den ich auf eine Truhe in der Fensternische legte. Und mein Kettenhemd faßte ich beim Kragen und behielt es in der Hand.
    »Picard«, sagte die Vasselière mit zusammengebissenen Zähnen zu einem der Lakaien, »nimm die Pistolen und gib mir die Degen.«
    Hier nun erwartete ich den Beweis ihrer Loyalität, der denn auch nicht auf sich warten ließ: Anstatt mir den einen Degen zu reichen, stieß sie mit der Klinge, die sie in der rechten Hand hielt, so wütend zu, daß sie mich durchbohrt hätte, wäre ich nicht jählings ausgewichen und hätte besagte Klinge nicht durch einen jähen Handschwung mit meinen Eisenmaschen umwickelt – wie ein Kämpfer im alten Rom es mit seinem Netz gemacht hätte –, wodurch ich ihr die Waffe aus den Händen riß, und ich denke, nicht ohne schmerzhaft ihre Finger zu treffen.
    »Schieß, Picard, schieß!« schrie die Vasselière.
    Aber sei es, daß Picard nach dem, was er gehört hatte, nicht so scharf darauf war, mich zu ermorden, sei es, daß er etwas zauderte, jedenfalls wurde er von seinem Zaudern durch Pissebœuf erlöst, der ihm plötzlich seine schwere Kiepe an den Kopf schleuderte, so daß er beide Pistolen auf die Fliesen fallen ließ und keiner der Lakaien sie aufzuheben wagte, weil Pissebœuf seine italienischen Dolche zog.
    In ebendiesem Augenblick Zeit – und zwar gleichzeitig, |253| nicht nacheinander, wie meine Erzählung es nicht anders schildern kann – kam von hinten Miroul und warf der Vasselière den gebeugten Arm um den Hals, so daß sie gelähmt war, bis ich den ihr entrissenen Degen aufhob. Wenigstens sagten Miroul und Pissebœuf es später so, denn beschäftigt, wie ich war, die Klinge der Vasselière aus meinen Eisenmaschen zu wickeln, staunte ich nur wirr, daß sie mich inzwischen nicht aufgespießt hatte, und fand mich auf einmal verblüfft in Waffengleichheit dieser leibhaftigen Dämonin gegenüber.
    »Madame«, sagte ich, indem ich mit der Waffe grüßte, »es heißt, Ihr hättet von Kind auf beim großen Silvie gelernt und könntet es im Fechten mit zwei Männern aufnehmen.«
    »Ihr werdet ja sehen«, sagte sie, die Zähne zusammengebissen. »Jedenfalls irrt Ihr, Baron, wenn Ihr Euch gerettet wähnt!«
    Und sie sprach wahr, denn sowie unsere Waffen sich kreuzten, zeigte sie ein so geschwindes, gewieftes und gekonntes Spiel und spürte jeden Augenblick so genau voraus, welche Finte ich vorbereitete, daß ich mehr und mehr zu fürchten begann, wie der Kampf enden werde, als ich ihrer tödlichen Spitze zum zweitenmal nur durch Ausweichen mit dem Körper entrann – was mein armer Giacomi scharf getadelt hätte. So begriff ich, daß es das beste war, sie zu ermüden, indem ich Terrain aufgab und sie durch schnellen Rückzug zu so vielen Bewegungen in ihrem schweren Reifrock zwang, daß ihre fabelhafte Präzision einmal nachlassen mußte. Derweise vermaß ich, indem ich scheinbar vor ihr zurückwich oder aber wendete, zweimal die ganze Länge der Galerie, und als ich sie schließlich zum Fuß der Treppe gelenkt hatte, merkte ich, daß sie weniger sicher parierte und bereits schwerer atmete. Doch selbst als ich jetzt einen Stoß wagte, entkam ich ihrem Konter nur knapp und verlor plötzlich den Mut.
    »Moussu, Eure Finte!« schrie Miroul auf okzitanisch, was bewies, daß er mich tatsächlich in großer Gefahr sah, denn er wußte, daß ich Giacomi geschworen hatte, diese nur anzuwenden, wenn ich mein Leben nicht anders zu retten wüßte.
    Sein Ruf und vor allem der Schrecken, den seine Stimme verriet, führte mich zum Entschluß. Und, gewiß, wenn ich diese Finte früher serviert hätte, wäre ich gescheitert. Aber da die Vasselière vor übermäßiger Anspannung, zu der ich sie gezwungen hatte, außer Atem war, parierte sie zwar den Stoß, |254| doch zu spät: ihr Kniegelenk war gräßlich verwundet. Und als ich rasch zurückwich, stieß sie einen Schrei so rasender Wut aus, daß man es, wette ich, bis ans andere Seine-Ufer hörte, und stürzte sich aus aller Kraft in meine Klinge, wohl um sich selbst dafür zu strafen, daß sie mich nicht hatte besiegen

Weitere Kostenlose Bücher