Paris ist eine Messe wert
der legitime König von Frankreich, an diesen Übeln Schuld trage, sondern seine rebellischen Untertanen.
|285| »Meine Herren«, sagte er, ohne auszusprechen, was seine Mimik enthüllte, »beliebt mir die Ermächtigung vorzuweisen, die Euch von besagter Versammlung erteilt wurde, um in ihrem Namen mit mir zu sprechen.«
Was einige Zeit in Anspruch nahm, denn der König las das Dokument von vorn bis hinten, ohne ein Wort auszulassen.
Und währenddessen, schöne Leserin, erlauben Sie mir zu sagen, daß dieser Kardinal von Gondi, der hier beinahe als Gleichgestellter mit dem König verhandelte, einer großen Florentiner Familie angehörte, die in Frankreich wie in Italien seit jeher in den drei Zweigen menschlicher Aktivität glänzte und immer glänzen wird, die am meisten Scharfsinn erfordern: Banken, Kirche und Diplomatie.
Was nun genau diesen Pierre de Gondi anbelangt, so war er der Neffe jenes Jean-Baptiste de Gondi, der zugleich der Bankier und Hofmeister Katharinas von Medici gewesen war, deren Gunst sowohl dieser Florentiner sein Vermögen verdankte als auch sein hier anwesender Neffe, wie natürlich die gesamte Familie, sind Italiener doch bekanntlich, selbst wenn sie Papst sind, von wunderbarer Anhänglichkeit an ihren Clan.
Im Gegensatz zu Pierre d’Epinac, der mit ganzem Herzen der Liga verbunden war, hatte Pierre de Gondi der Herzen drei: das erste schlug fürs Geld, das zweite für den Altar, das dritte für die großen Reichsgeschäfte, wobei seine drei Herzen sich abstimmten, so gut sie eben konnten, war doch das Deichseln der Dinge nicht ganz einfach und die Zukunft nicht so klar für einen, der vor allem obenauf schwimmen wollte, sobald die Stürme unserer brudermörderischen Kriege auf die eine oder andere Weise ein Ende hätten. Und während ich seine feine, ebenso liebenswerte wie füchsische Physiognomie betrachtete, schwante mir, daß, wer auch immer triumphieren würde in diesem Krieg – Heinrich IV. oder Philipp II. von Spanien –, daß der, sage ich, gewiß sein könnte, die so geschmeidigen wie vielfältigen Talente des Kardinals von Gondi dienstbar zu finden.
»Sire«, sagte der Kardinal mit wohlklingender Stimme, »wie Ihr in gegenwärtiger Ermächtigung lesen konntet, wurden wir von den höchsten Pariser Notabeln zum König von Navarra entsandt, um auf eine allgemeine Befriedung des Reiches hinzuwirken und, nachdem sie seine Zustimmung eingeholt haben, auch den Herzog von Mayenne um besagte Befriedung zu ersuchen.«
|286| »Herr Kardinal«, sagte stirnrunzelnd und mit scharfer Stimme der König, »ich muß Euch unterbrechen. Ihr sprecht hier nicht zum König von Navarra, und solltet Ihr mich wirklich als diesen betrachten, so wäre weder ich befugt, Paris und Frankreich zu befrieden, noch wärt Ihr es, mich darum anzusprechen.«
Worauf der Kardinal, der als Gesandter der Liga Henri den Stand eines Königs von Frankreich nicht zuerkennen durfte, ihm diesen aber auch nicht verweigern konnte, wenn er ihn um Frieden bat (was in gewissem Maße eine De-facto-Anerkennung seiner Legitimität war), zu einem Mittel seine Zuflucht nahm, in welchem Diplomaten glänzen, wenn sie zur Ohnmacht verdammt sind: Er schwieg. Doch schwieg er mit Grazie, indem er Henri eine tiefe Reverenz machte, die ein vielsagendes Lächeln und ein Blinken seiner Sammetaugen begleitete, wodurch er zu verstehen gab, daß er mit seinem königlichen Gesprächspartner im stillen übereinstimmte, ohne es in Worte fassen zu dürfen – und sei es nur wegen des Erzligisten d’Epinac an seiner Seite, der ihm vielleicht sogar zur Überwachung beigesellt war.
Und Henri, dessen Gascogner Durchtriebenheit der italienischen Finesse ja nicht nachstand und der durchaus sah, wie sehr diese Gattung Mensch abhing vom Auf und Nieder der Gezeiten, zeigte sich besänftigt.
»Mag die in Eurer Ermächtigung gebrauchte Wendung ›Kö nig von Navarra‹ auch gegen meine Würde gehen«, sagte er in lockerem Ton, »will ich mich doch mit dieser Formfrage nicht aufhalten, dafür wünsche ich zu sehr, mein Reich in Frieden zu sehen. Denn ich verstehe doch recht, daß Ihr mich einladet, in Abstimmung mit dem Herzog von Mayenne eine allgemeine Befriedung herbeizuführen, an deren Ende Paris sich mir ergeben würde. Ist das Euer Vorsatz?«
»Das ist er, Sire«, sagte der Kardinal mit neuerlicher Verneigung.
Hierauf entfernte sich der König ein wenig, um sich seinen drei wichtigsten Räten zuzuwenden, Duplessis-Mornay, Rosny und Marschall
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