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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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den Mund aufgemacht, hätte Boucher mich vor seinen Schäflein sofort als »Politischen« denunziert, und ich wäre hinaus aufs Pflaster gezerrt und in Stücke gerissen worden, wie es nicht lange zuvor einem Unglücklichen geschehen war, der gewagt hatte, bei der Predigt zu lachen.
    So knetete und preßte ich denn bis zum Schluß der Predigt meine Fäuste, und kaum war die Messe vorbei, lief ich, Miroul auf den Fersen, atemlos zu Madame de Nemours, die äußerst verwundert war, daß ich sie an einem Morgen besuchte, mir aber dennoch zu warten erlaubte, bis sie ihre Toilette beendet habe.
    »Gebenedeite Jungfrau!« rief sie entrüstet, als ich wortwörtlich wiederholte, was der Schuft Boucher ihr
ex cathedra
in den Mund gelegt hatte. »Die Zunge sollte mir verdorren, ehe ich so entsetzliche Dinge sagen würde! Monsieur«, setzte sie hinzu (wieder hatte sie mich Monsieur genannt!), »ich weiß Euch großen Dank, daß Ihr mir das als erster zutragt. Ich werde diesen Pfaffen von meinem Sohn Nemours rügen lassen. Leider«, fuhr sie fort, »kann der Unverschämte sich auf eine Verwechslung herausreden, als er der Mutter unterstellte, was die Tochter gesagt hat. Denn Ihr müßt wissen, Monsieur, daß die Herzogin von Montpensier tatsächlich so unbesonnen dahergeredet hat, und das weiß der Fuchs Boucher, und obwohl er auch weiß, daß Worte einer Wütenden, die selbst keine Kinder hat, nicht viel bedeuten, hat er sie mir in den Mund gelegt, die ich Mutter und überdies für meine maßvolle Haltung bekannt bin.«
    Ich schwieg, denn die Mißbilligung der Hinkefuß war so unüberhörbar, daß ich den Schnabel nicht hätte auftun können, |304| ohne noch eins draufzusetzen. Doch weil ich sah, daß Madame de Nemours darin nicht fortfahren wollte, erbat ich meinen Urlaub.
    »Was, Monsieur?« sagte sie mit einem Anflug von Koketterie, und ich vergaß zu sagen, daß sie anbetungswürdig aussah mit ihren weißen Haaren und in einem malwenfarbenen Gewand. »Kaum seid Ihr hier, wollt Ihr schon wieder gehen! Versteht Ihr so Eure Art, mir zu dienen, wie Ihr gelobtet?«
    »Madame!« sagte ich hitzig, »Ihr wißt sehr wohl, daß ich Eurem Befehl in jeder Sache ganz ergeben bin, die nicht den Staat berührt, wie Ihr selbst bemerktet.«
    »Monsieur«, sagte sie mit vergnügtem Lachen, »ich bewundere die vorsichtige Einschränkung. Doch seid Ihr, auch wenn Ihr Euch Tuchhändler nennt, ja wohl eine Art Diplomat? Der einen Paß meines Sohnes Nemours besitzt, um die Stadt zu verlassen, und einen von Navarra, um zurückzukehren?«
    »Madame«, sagte ich mit undurchdringlichem Gesicht, »ich brauchte beide, um Euch zu versorgen.«
    »Schnickschnack, Monsieur!« sagte sie, noch mehr lachend, »Ihr habt es faustdick hinter den Ohren, scheint mir! Doch genug davon: Ich will einen wohlverschlossenen Mund ja nicht zum Reden zwingen«, fuhr sie mit charmantem Lächeln fort, »nur mich seiner, wohlverschlossen, wie er ist, bedienen, wenn es Euch beliebt.«
    »Madame«, sagte ich, eine Pfote vor, mit der anderen auf dem Rückzug, »ich werde Euer sehr ergebener, treuer und geheimer Diener sein, wohlgemerkt innerhalb der zwischen uns vereinbarten Grenzen.«
    »›Zwischen uns vereinbarten Grenzen‹ ist vortrefflich ausgedrückt!« sagte sie lachend, »denn diese Grenzen habt allein Ihr festgelegt. Doch lassen wir das«, fuhr sie mit ernster Miene fort. »Ihr könnt mir in der Tat einen Dienst erweisen, Monsieur. Es geht um folgendes: Wie ich höre, verläßt der Chevalier d’Aumale Paris zur Tagesneige in einer Verkleidung, mit falschem Namen und einem von seiner Hand ausgefertigten Paß, verbringt die Nacht in Saint-Denis und kehrt erst gegen Morgen in unsere Mauern zurück.«
    »Und weil Saint-Denis in Navarras Händen ist«, sagte ich, »möchtet Ihr wissen, was d’Aumale dort treibt? Nun, Madame, einmal angenommen, Monsieur d’Aumale unterredet sich insgeheim |305| mit dem Gouverneur von Saint-Denis, Monsieur de Vic, um ihm ein Tor zu öffnen und Paris auszuliefern, so wäre das unzweifelhaft eine Staatsaffäre.«
    »Das wäre sie in der Tat, wenn es glaubhaft wäre«, sagte Madame de Nemours, »aber das kann nicht sein. D’Aumale ist ein entschiedener und blutiger Erzligist. Er hat mit eigener Hand so viele gute Männer der königlichen Partei erschlagen, daß er keine Stunde am Leben bliebe, wenn er dort aufgenommen werden wollte, und sei es um den Preis des Verrats.«
    »Alsdann, Madame«, sagte ich nach einem Schweigen, »er laubt , Euch

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