Paris ist eine Messe wert
noch in Arbeit, traurig stapelten, und an die zehn Gesellen fröhlich am Werk waren, hatte doch der Tod der anderen sie vor Entlassung und Hunger gerettet und brachte Mönchen, Totengräbern wie Schreinern Geld in die Kassen.
»Du liebe Zeit, Monsieur«, sagte der Meister, »Ihr habt es aber eilig, den kleinen Toten zu begraben! Trotzdem kann ich den Sarg erst zu Abend liefern, so daß ihr ihn morgen in die Erde bringen könnt.«
»Kommt nicht in Frage, Meister«, sagte ich. »Die Beerdigung muß noch heute abend sein, denn ich fürchte die Infektion in meinem Haus und was an Krankheiten daraus folgen kann.«
»Was?« sagte er, »Ihr getraut Euch, den Friedhof bei Nacht zu betreten? Und die Gespenster und bösen Geister, ist Euch davor nicht bange?«
»Nein, nur vor Menschen, aber wir gehen zu mehreren und gut bewaffnet.«
»Bei Gott! Das läßt sich hören!« sagte der Meister, ein großer, starker Mann. »Fast lockt es mich, Monsieur, Euch in Waffen zu begleiten. Denn ist es nicht eine Schande, daß ein Pariser sich in die Hosen macht beim Gedanken, nachts auf einen Friedhof zu gehen, dumm und feige wie ein Bauer vom Land? Monsieur, soll ich mitkommen?« setzte er in entschlossenem Ton hinzu.
»Aber bitte, Meister«, sagte ich und klopfte ihm, froh über die Verstärkung, auf die Schulter. »Und«, fuhr ich mit lauter Stimme fort, »bringt nur auch Eure Gesellen mit, sofern sie Manns genug sind, sich ihrem Meister anzuschließen.«
Was den Meister entzückte und die Gesellen zu ermutigen schien, bringt man die guten Leute doch leicht dazu, Gefahr auf sich zu nehmen, wenn man sie bei ihrer Mannesehre packt.
|310| Zu Hause hörte ich von Héloïse, daß Doña Clara nur schlief, aß und wieder schlief, und das sei auch das beste, setzte Héloïse hinzu, daß sie soviel schlafe, denn sobald sie erwache, weine sie nur um ihren Sohn. Was ich selbst durch die Wand hörte, als ich mit Miroul, Pissebœuf und Poussevent unsere Waffen überprüfte. Doch verließen die beiden uns bald, um »nach Senf zu gehen«, wie es neuerdings hieß und was sehr geheim ablief, bei streng verborgenen Händlern. Offen gestanden, hätte ich auf diese Pirsch verzichten können, weil ich mich auf der letzten Reise außerhalb von Paris mindestens ebensogut mit Vorräten eingedeckt hatte wie die Lothringer Prinzessinnen, doch hielt ich es für klug, vor den Augen der Nachbarn wie jedermann an dieser ständigen Jagd nach Eßbarem festzuhalten, die in diesen Zeiten die Hauptbeschäftigung der bemittelten Pariser war.
Auf einmal klopfte es an der Haustür, und zu meiner Verwunderung meldete mir Miroul, es sei Franz, denn ich hatte dem hühnenhaften Lakaien der Montpensier meine Adresse nicht gegeben, so freundschaftlich wir auch miteinander standen.
»Franz, sei mir willkommen«, sagte ich, »aber woher wußtest du, wo ich wohne?«
»Monsieur«, sagte Franz etwas betreten, »ich bin Euch gefolgt.«
»Mir gefolgt, Franz?«
»Auf Befehl meiner guten Herrin«, sagte Franz, der die Montpensier nie anders nannte, obwohl er selbst am besten beurteilen konnte, wie es um die Güte der hohen Dame stand.
»Was?« sagte ich rauh, »du bist mir gefolgt, Franz, ohne mein Wissen?«
»Monsieur«, sagte Franz, »nicht mehr ohne Euer Wissen, da ich es jetzt sage. Und wenn ich es jetzt sage, und sehr ungern sage, so ohne Wissen meiner guten Herrin, die Euch verdächtigt, ein Agent von Navarra zu sein.«
»Und seit wann bist du mir gefolgt, Franz?«
»Seit Ihr uns versorgt habt.«
»Wie schön und dankbar von deiner guten Herrin! Und was hast du entdeckt, Franz?«
»Daß Ihr oft Madame de Nemours besucht.«
»Sieh einer an!«
»Und das ist meine Frage, Monsieur, soll ich es meiner guten Herrin sagen?«
|311| Seine Frage machte mich stutzig, doch konnte ich nicht gleich darauf eingehen, denn es klopfte abermals, und Miroul führte einen klapperdürren kleinen Laufburschen herein, der mir ein Billett von Pierre de L’Etoile überbrachte, das also lautete:
Mein Pierre, ich weiß nicht mehr, an welchen Heiligen ich mich wenden soll in diesen schändlichen Zeiten, der Kelch läuft über. Gestern hat Lisette mich ohne jedes Wort im Stich gelassen, vielleicht, um mit einem der Galane davonzulaufen, die sie ja umschwirrten wie Wespen den Honigtopf. Und ich sitze da, ohne jede Hilfe, mit Gicht im Bein, und kann keinen Schritt gehen. Weil ich nun weiß, daß Ihr und Eure Leute oft unterwegs seid, darf ich Euch wohl bitten, mein lieber Pierre, auf
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