Paris ist eine Messe wert
im Ungewissen zu lassen, ob ich diesen Auftrag annehme oder nicht. Dergestalt, daß Ihr nichts von mir hören werdet, sollte es sich um ein Staatsgeheimnis handeln. Ist es hingegen eine Privataffäre, sollt Ihr alles erfahren.«
»Monsieur«, sagte Madame de Nemours mit einverständigem Lächeln, »ich verspreche mir guten Erfolg, wenn Ihr den Auftrag übernehmt: Ihr seid sehr gewandt. Worüber ich mich freilich ein wenig beklage. Denn Eure jetzige Vorsicht ist weit entfernt von jenem Elan, mit dem Ihr mir letztesmal zu Füßen fielet.«
»Madame, ich täte es wieder«, sagte ich, »wenn ich nicht fürchtete, Euch zu mißfallen.«
»Ach, Monsieur«, sagte sie mit leichtem Schmollen, »das Risiko müßt Ihr eingehen: Seid Ihr so wenig tapfer?«
Siehe da, dachte ich, ein halbes Wort, das soviel wie ein ganzes ist. Und meine Tapferkeit, da sie es so nannte und die sie auch nicht vergebens ansprach, wurde belohnt wie das vorige Mal, als ich vor ihr kniete.
»Monsieur«, sagte sie mit etwas verspäteter Verwirrung, ob gespielt oder echt, »ich weiß wahrhaftig nicht, warum ich Euch das durchgehen lasse, wenn nicht, weil es mich amüsiert. Aber, nun genug, gebt meine Hände frei«, setzte sie mit köstlichem Lächeln hinzu, »ehe Ihr sie ganz verschlingt. Und nun geht, ich befehle es, und versäumt nicht, mich treulich zu besuchen wie versprochen und mir zu dienen, falls Eure Vorsicht es erlaubt.«
Auf unserem ganzen Heimweg platzte mein armer Miroul fast vor Neugier, doch verzagte er mit seinen Fragen vor dem starren Gatter meiner Augen. Erst zu Hause, in meinen vier Wänden, erzählte ich ihm alles.
»Moussu«, sagte er erschrocken, »das heißt, daß Ihr jetzt den Chevalier d’Aumale für die Nemours’ ausspioniert! Was |306| auch heißt, daß, wenn Ihr Monsieur de Vic über die Eskapaden des Chevaliers in Saint-Denis unterrichtet und dieser von den Königlichen gefangen oder erschlagen wird, die Nemours’, Mutter und Sohn, denken müssen, dies sei auf Eure Veranlassung geschehen.«
»Gewiß könnte es sein«, sagte ich nachdenklich, »daß die Nemours’ den Tod ihres Cousins mir anlasten würden. Es könnte aber auch sein, daß sie es mir dankten. Nemours ist gegenwärtig nur Gouverneur von Paris. Wenn d’Aumale tot wäre, bekäme er auch den Befehl über die Truppen. Kein schlechter Aufstieg, der ihn außerdem seinem Halbbruder Mayenne gleichstellen würde, wenn es einmal um den Thron gehen wird.«
»Moussu«, sagte Miroul, und sein blaues Auge glänzte, »jetzt kalkuliert Ihr wieder klar, und ich glaube beinahe, Ihr seid schon nicht mehr ganz so vernarrt in die Herzogin wie vorher.«
»Worin du irrst, Miroul«, sagte ich lächelnd. »Ich wette, daß Madame de Nemours von solch machiavellistischem Kalkül völlig frei ist. Und ich vermute, daß es Nemours ist, der mich durch die naive Vermittlung seiner Mutter zu benutzen versucht.«
»Und was wollt Ihr tun?«
»Was ich tun will, ist klar, Miroul. Aber nicht, wenn es getan ist, was ich sagen werde, und wem.«
»Woraus ich schließe, Moussu, daß Ihr in großem Zweifel seid, wem Ihr Euer Wissen über das Treiben des Chevalier d’Aumale in Saint-Denis mitteilen werdet: Monsieur de Vic oder Madame de Nemours? Aber, Moussu, ist für Euch nicht vor allem das Interesse des Königs ausschlaggebend?«
»Welches gleichwohl«, sagte ich, »mit feiner Waage zu wägen ist. Vielleicht ist es für den König besser, wenn der Chevalier stirbt. Vielleicht ist es auch besser, er bleibt am Leben, und Nemours wird nicht zu groß. Die Pariser Truppen umfassen dreißigtausend Mann, und Nemours ist ein guter Heerführer, beliebter als d’Aumale und nicht so tollwütig.«
Am Abend desselben Tages, gegen fünf Uhr, hörte ich Lärm von meiner Straße und trat vor die Tür, wo ich indes nur die üblichen Gespenster da und dort übers Pflaster wanken sah, denn die an Entkräftung Sterbenden blieben nicht mehr zu |307| Hause, sondern machten, getrieben von der Hoffnung, Eßbares zu finden, nun draußen ihre letzten taumelnden Schritte, ehe sie mit offenem Mund wie in stummem Schrei zusammenbrachen.
Woher der Lärm rührte, der mich aus dem Haus gelockt hatte, war also nicht festzustellen, doch als ich, voll Kummer über das so alltägliche Schauspiel der Gespenster, die am nächsten Tag tot auf meiner Straße lägen, schon hineingehen wollte, fiel mein Blick auf eine vornehm gekleidete Frau, doch ohne Maske vorm Gesicht und ohne Begleitung, die ein vielleicht
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