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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Lisette, wenn Ihr sie treffen solltet, einzuwirken, daß sie schnellstens heimkehrt? Ich habe ihr Verschwinden gestern in allen Vierteln ausrufen lassen und reichliche Belohnung versprochen, doch vergebens. Ich bin sehr in Ängsten, weil sie so einfältig ist, daß irgendein Strolch sie in ein Bordell oder ein Badehaus verschleppen kann, ohne daß sie versteht, wovon die Rede ist.
O tempora! O mores!
Und wenn ich ihren Undank bedenke, nachdem ich sie doch quasi vorm Hungersarg bewahrt habe! Hiermit grüßt Euch, mein lieber Pierre, Euer sehr bedrängter und enttäuschter
    Pierre de L’Etoile
     
    Zugleich amüsiert und besorgt durch diesen Brief, schrieb ich dem Freund sogleich ein paar ermunternde Worte, indem ich meine Hilfe versprach, und als ich dem kleinen Boten das Briefchen samt einem Geldstück und einem Brotkanten gab, dachte ich, er verschlucke ersteres vor Hast, das zweite in den Mund zu stecken. Er war schon fort, als ich mich verspätet besann und Pissebœuf sogleich hinterdrein schickte mit Brot und einem Stück Salzfleisch für den Fall, daß Pierre de L’Etoile auf dem trockenen säße, weil er mit seiner Gicht nicht ausgehen konnte.
    »Franz«, sagte ich dann, »was hattest du mich gefragt?«
    »Ob ich meiner guten Herrin sagen darf, daß Ihr ihre Frau Mutter oft besucht?«
    »Warum nicht?«
    »Monsieur, das könnte für Euch aber gefährlich sein.«
    »Wieso, Franz?«
    »Meine gute Herrin, die Euch ohnehin verdächtigt, ein |312| Agent von Navarra zu sein, könnte denken, daß ihre Frau Mutter Euch beauftragt hat, ihm ihre Botschaften zu übermitteln.«
    »Botschaften weswegen?«
    »Wegen einer Vermählung von Nemours mit Navarras Schwester.«
    »Das ist doch ein ferner und loser Plan.«
    »Der meine gute Herrin trotzdem beunruhigt, und kurzentschlossen, wie sie ist, könnte sie darauf verfallen, den Mittler zu beseitigen.«
    »Gut gedacht und gut gesprochen, Franz«, sagte ich lachend, »also, kein Wort von meinen Besuchen bei Madame de Nemours.«
    »Und darin, Monsieur«, sagte Franz, »lauert wiederum Gefahr für mich.«
    »Wieso?«
    »Meine gute Herrin kann gut noch einen zweiten Spion auf Eure Fährte gesetzt haben, und wenn der ihr sagt, was ich verschweige, was dann?«
    Ich dachte eine Weile nach, ohne zu einem Schluß zu kommen. Schließlich entschuldigte ich mich bei Franz und bat Miroul ins Nebenzimmer.
    »Was meinst du dazu, Miroul?«
    »Daß Ihr ihm sagen solltet, daß Madame de Nemours Euch auf die Fährte des Chevalier d’Aumale gesetzt hat.«
    »Miroul, das wäre Verrat an der Herzogin.«
    »Durchaus nicht! Die Herzogin ist ganz für Nemours, die Hinkefuß ganz für Mayenne, aber ich wette, daß die Hinkefuß ihren Vetter d’Aumale nicht inniger liebt als ihre Mutter: Mit den dreißigtausend Mann hinter sich ist der Chevalier ein Rivale für Mayenne. Und Ihr wißt doch, Moussu, wie die Guises sich untereinander hassen, mehr als wir sie. Ich erlaube mir das«, sagte Miroul mit schalkhaftem Lachen, »weil Madame de Nemours keine Guise ist, sondern eine geborene d’Este. Trotzdem intrigiert auch sie.«
    Blieb ich für die letzte Bemerkung auch taub, hatte Miroul mich doch überzeugt, und ich eröffnete Franz, welchen Auftrag Madame de Nemours mir anvertraut hatte.
    »Und woher könnte ich das wissen?« fragte Franz.
    »Von einer Kammerfrau von Madame de Nemours, mit der du liebäugelst.«
    |313| »Monsieur«, sagte Franz, »ich liebäugele nur mit meinem Liebchen.«
    »Du mußt ja nicht wirklich mit ihr äugeln, nur es sagen, Franz.«
    »Das ist Lüge.«
    »Besser lügen als töten. Würdest du mich auf Befehl deiner Herrin nicht erdolchen?«
     
    Um neun Uhr abends – wir hatten gegessen und die Hoffnung schon aufgegeben – kam endlich der Schreinermeister mit fünf seiner Gesellen, alle mit irgend etwas bewaffnet. Der Meister selbst hatte einen Harnisch an, eine Pike in der Hand und im Gurt eine Pistole – und unterm Arm, fast wie ein Spielzeug, den kleinen Sarg, den er auf unseren Eßtisch stellte, Bewunderung heischend für die solide und schön polierte Arbeit, obwohl er so wenig Zeit dafür gehabt hatte.
    Liebevoll und unter Tränen bettete Héloïse den kleinen Leichnam hinein und wollte Doña Clara wecken, damit sie von ihrem Kind Abschied nehme, doch ich hieß sie, es nicht zu tun aus Furcht, die Erschütterung der Mutter wäre zu stark für ihr schwaches Herz. Sobald der Sarg geschlossen war, rüsteten wir uns, Miroul, Pissebœuf, Poussevent und ich, und weil der

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