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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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jubilierender Massen, und sah, strahlend vor Genugtuung, den Gesandten Mendoza, den Legaten Cajetan, Pierre d’Epinac, den Erzbischof von Lyon, die Montpensier, Nemours, nur seine Mutter nicht, die Herzogin scheute großen Auflauf. Und meine Ellbogen gebrauchend, näherte ich mich der Kanzel und hörte eine Predigt des berühmten Italieners Panigarola, der von der Weiblichkeit, hoch wie niedrig, angebetet wurde, weil seine Stimme wie seine Augen war: der pure Samt, und er wetterte nicht, noch beschimpfte er, wie Boucher, sondern sprach mit einer Sanftmut, daß Héloïse sagte: »Allein ihn zu hören ist das Paradies«.
    Wenn auch nicht im Paradies, so fühlte sich das Volk an diesem Tag wie an den folgenden doch an den Toren des dritten Himmels, und es gab in Notre-Dame glühende Gebete und Danksagungen an Unsere Liebe Frau von Paris für das Ende der Belagerung. Dergestalt daß die Liebe Frau von Lorette völlig vergessen wurde, obwohl ihr doch in derselben Kathedrale vor zwei Monaten im Beisein desselben Volkes von Boucher so kostbare Silbersachen versprochen worden waren, wenn sie durch Fürsprache bei ihrem göttlichen Sohn Paris erlöse. Ach! Schönes Gelübde, und nicht gehalten.
    Wollte ich mich nun einlassen auf besagten Aberglauben, so könnte ich sagen, daß die Liebe Frau von Lorette, als man ihrer auf einmal so schmählich vergaß, sich an den Parisern rächte, indem sie ihnen eine Fieberseuche schickte, die nach Auskunft von Ärzten und Apothekern binnen vier Monaten ebenso viele Leben dahinraffte wie die Pest von 1580 in einem halben Jahr. Also daß nach der Belagerung noch einmal genauso viele Leute starben, wie während der Belagerung gestorben waren, nämlich nach Angabe der Schöffen rund 30   000, womit die Sterblichkeit infolge des Krieges sich in Paris auf 60   000 Personen belief. Eine ungeheuerliche und unendlich jammervolle Zahl, selbst wenn man bedenkt, daß die gute Stadt – die standhafteste der Christenheit – vormals 300   000 Seelen gezählt hatte.
    Die Fieberseuche kam von der schlechten und sogar schändlichen und ekelerregenden Nahrung, welche die armen Menschen aus reißendem Hunger verschlungen hatten. Am meisten fielen ihr Alte zum Opfer, deren Körper zuwenig Kraft und natürlichen Widerstand gegen Hunger und Krankheit hatten. |334| Hingegen war der Tod von Ambroise Paré, dem königlichen Leibarzt, am 20. Dezember 1590 zu Paris, allein auf sein hohes Alter zurückzuführen, denn er war achtzig Jahre alt geworden, einer der wenigen Hugenotten, wenn nicht der einzige, den die Geistlichkeit und die »Sechzehn« während der Belagerung in Paris geduldet hatten, weil er so geachtet war für seine Weisheit, sein Können und seinen Freimut und überdies den Schutz aller Großen genoß, die er behandelt hatte.
    Am 20. Dezember weilte Parma bereits seit einem Monat wieder in Flandern, nachdem er Navarra beständig ausgewichen war, wie La Noue es so trefflich vorausgesehen hatte. Schlimmer war jedoch, daß er durch geschickte Manöver dem König, wie dieser selbst sagte, »vorm Schnurrbart weg« die Städte Lagny, Corbeil, Saint-Maur und Charenton genommen und damit den Parisern die Täler der Seine und der Marne geöffnet hatte. Allerdings nur für kurze Zeit, denn sowie Parma wieder in Flandern war, eroberte der König diese Städte zurück und noch einige andere um Paris, worauf er zwar nicht mehr Kräfte genug für eine neue Belagerung hatte (der royalistische Adel hatte sich nach deren Aufhebung ins Winterquartier auf seine Schlösser begeben), der guten Stadt aber sozusagen aus der Ferne zusetzte, denn konnte er ihre Versorgung auch nicht ganz unterbinden, legte er dieser doch so viele Steine in den Weg, daß Paris zwar nicht Hungersnot litt, aber doch darbte.
    Der stärkste Stachel im mageren Pariser Fleisch dieses Winters war natürlich die Stadt Saint-Denis, die Monsieur de Vic mit einer königlichen Garnison vor der Nase der Hauptstadt befestigt hielt und von wo er dann und wann Truppen aussandte, um Lebensmitteltransporte für die Kapitale zu überfallen. Er ließ niemand mehr ein nach Saint-Denis, auch mich nicht, wie er mir sagte, als ich am Weihnachtsabend zum letzten Mal dort war, um Einkäufe für die Prinzessinnen zu machen, ein Beschluß, den ich weise fand, sosehr er mich auch behinderte. Bei diesem letzten Aufenthalt traf ich die Goulue auf der Straße, wie sie nach Proviant ging, und als ich mich zu erkennen gab, sagte sie, die Raverie schwimme in Tränen und

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