Paris ist eine Messe wert
überaus grausam war, daß ich trotz so vieler und so vergeblich aufgewandter |337| Bemühungen wiederum nicht sicher wußte, wer in Wahrheit die Frau war, die ich liebte, und vor allem, ob ich sie mit diesem Zweifel noch lieben durfte. Nun, vielleicht wissen Sie aus Erfahrung, wie schwer man sich tut, eine neue Verbindung einzugehen, solange man sich nicht darüber im klaren ist, ob man sich von der alten schon gelöst hat, oder, was schlimmer ist, ob man wirklich Grund hat, sich von ihr zu lösen. Wie oft dachte ich, daß das Reich der Liebe doch zumeist ein Reich der Wirrsal ist. Denn wer bei klarem Verstand ist, dem fällt es leicht zu wissen, was er denkt, aber zu wissen, was man fühlt, wenn man liebt oder aufhört zu lieben oder wieder anfängt zu lieben, das bleibt einem selber undurchdringliches Geheimnis.
Héloïse hatte ich abgewiesen, weil ich keine Lust hatte, zu teilen, und Lisette aus treuer Anhänglichkeit an L’Etoile. Kleine Opfer, da es allein um Appetit ging. Womit ich aber beileibe nicht tun will, als würde ich besagtem Appetit nicht genauso große Bedeutung beimessen wie dem, der uns am Leben hält. Was mich betrifft, habe ich solch heuchlerische Philosophie niemals vertreten und meine im Gegenteil, daß Liebesmangel auf Dauer ungefähr das gleiche ist wie knappes Brot. Sagen wir vielleicht, daß man nicht so schnell daran stirbt, aber das ist auch der einzige Unterschied.
Doch, um endlich darauf zu kommen, stellte mich Doña Clara vor ein schwieriges Problem: Sie war eine hohe Dame, sehr schön, klug, geistvoll und mit einem großmütigen Herzen begabt; wem sie sich aber hingäbe, dem gäbe sie sich ganz und würde vom anderen Entsprechendes erwarten. Ich jedoch konnte gar nicht daran denken, mich so stark, so tief, so unwiderruflich zu binden, weil ich ja noch an meine Angelina gebunden war. Weshalb ich, wie Miroul so treffend bemerkt hatte, die Geschichte nur mit halber Backe nahm und tat, als merkte ich nicht, daß Doña Clara wohl oder übel mehr von mir wollte als Freundschaft, was ihre schönen, tiefblauen Augen im schwarzen Wimpernsaum mir oft genug bekundeten. Meine Verkleidung zum Handelsmann stellte dabei kein Hindernis dar. Die hatte sie, weil sie meinen Alltag mit lebte, genügend Weltkenntnis besaß und zudem vom Spanischen her das Okzitanisch meiner Leute verstand, sehr schnell durchschaut, ohne darüber ein Wort zu verlieren, dafür besaß sie viel zuviel Selbstgefühl und kastilischen Stolz.
|338| »Moussu«, sagte Miroul, als er von seiner Mission heimkehrte, »nie wurde ein Ecu nützlicher verwandt als an diesen Rapin. Hört, welche Neuigkeiten ich zu bieten habe! Vorgestern abend empfing der Chevalier d’Aumale die ›Sechzehn‹ zum Souper, Rapin bediente bei Tisch. Und bei diesem Essen wurde, wie Ihr es vorausgesehen habt, eine nächtliche Expedition beschlossen, um Saint-Denis durch Überrumpelung zu nehmen. Wenn das gelingt, soll hierorts eine hübsche Bartholomäusnacht folgen, gegen ›Politische‹ und Mitglieder des Hohen Gerichtshofes, mit anschließender Plünderung der besten Pariser Häuser.«
»Was? Ohne Zustimmung von Monsieur de Nemours?«
»Monsieur de Nemours achtet den Gerichtshof zu sehr, weshalb er von dem Komplott ausgeschlossen bleibt. Man wartet ab, bis er aus Paris fortgeht.«
»Geht er denn fort?« fragte ich erschrocken.
»Auf Befehl von Mayenne soll Nemours in Kürze das Gouvernement Lyon antreten.«
»Nach all den Diensten, die Nemours dem belagerten Paris geleistet hat? Ein netter Bruder, dieser Mayenne! Keine Spur neidisch! Und so dankbar!«
»Nemours wird durch Monsieur de Belin ersetzt.«
»Belin? Kenne ich nicht.«
»Keiner kennt ihn, Moussu, und laut Rapin halten ihn die ›Sechzehn‹ für eine Null.«
»Dein Rapin hat fleißige Ohren.«
»Und eine noch fleißigere Zunge, wenn er beim Bechern sitzt.«
»Ist das alles?«
»Nein. La Chapelle-Marteau tritt als Vogt der Kaufmannschaft zurück. Ersetzt wird er durch … Boucher.«
»Boucher! Durch den Pfaffen Boucher! Den Blutsäufer Boucher! Gerechter Gott!«
»Übrigens hattet Ihr recht, was den Zeitpunkt des nächtlichen Angriffs auf Saint-Denis betrifft: Man wartet, bis die Gräben so dick zugefroren sind, daß sie Leitern aushalten.«
»Wurde das auch bei dem Essen gesagt?«
»Ja!«
»Wer hätte das gedacht, daß der sehr hohe Chevalier d’Au male , der Guise-Vetter, sich mit den ›Sechzehn‹ gemein macht!«
|339| »Ha, Moussu! Laut Rapin ist er mit den
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