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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Eis setze?«
    »Wer weiß davon?«
    »Nur Ihr, Miroul und ich.«
    »Kann Miroul den Schnabel halten?«
    »Wie ein Grab.«
    »Also, topp!« sagte Tronson voll Würde. »Von Stund an betrachte ich euch zwei als Soldaten meiner Kompanie. Gevatter«, fuhr er fort, indem er seinen Becher leerte und sich mit der gewichtigen Art erhob, die er sich seit der Nacht der Saints-Innocents beigelegt hatte, »ich lasse mir das durch den Kopf gehen und komme drauf zurück. Jetzt gehe ich. Meine Särge warten. Gottlob sind es seit der Belagerungszeit nicht weniger geworden, die Fieberseuche hat die Hungersnot abgelöst.«
    »Ja, leider!« sagte ich.
    »Leider, jaja!« sagte er und vergaß, daß er soeben das Gegenteil gesagt hatte.
    Eine Woche darauf, am zweiten Januar – es fror zum Steinespalten –, kam am Abend Tronson und sagte mir unter vier Augen, daß die Sache am nächsten Tag steigen werde, d’Au male habe das Ganze in der Hand, und er, Miroul und ich seien die einzigen aus unserem Viertel, die eine Leiter erklettern wollten. Überhaupt habe man nur fünf Leitern, die lang genug seien, die Mauern von Saint-Denis zu erklimmen, und nur zwanzig Männer hätten sich freiwillig dafür gemeldet, ganze zwanzig vom Pariser Bürgerheer, das doch immerhin dreißigtausend Mann zähle.
    »Das bringt uns großen Ruhm«, sagte Tronson ohne ein Wimpernzucken. »Und«, setzte er hinzu, »großen Profit, wenn alles wie am Schnürchen läuft. Denn haben wir Saint-Denis genommen und geplündert, geht es hier weiter: Dann gibt es eine Bartholomäusnacht für die reichen ›Politischen‹, aber was für eine, kann ich Euch sagen, da räumen wir die schönsten Pariser Häuser aus!«
    »Hauptmann«, sagte ich, »dann könnt Ihr auf meine fünfzig Ecus spucken.«
    »Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Wer hat, der hat, Gevatter. Ich habe ›topp‹ gesagt.«
    |342| Am 3. Januar war es so eisig, daß, hätte ich geweint (wie ich es hätte tun sollen bei dem Gedanken, daß Franzosen sich gegenseitig totschlugen), mir die Tränen in den Augen gefroren wären. Ich stapfte mit Miroul über die Wachgänge zum nahen Saint-Denis-Tor, wo sage und schreibe ein einziger Posten stand (der sich übrigens beklagte, daß er seit der Frühe nicht abgelöst worden war), um nach den Mauern von Saint-Denis hinüberzuschauen, auf denen, wahr und wahrhaftig, keine Katze zu sehen war. Wonach ich mutmaßte, daß ihre Mauern in der Nacht genauso unbewacht sein würden wie unsere, weil kein Mensch auf die Idee kam, es könnte irgend jemand derart den Teufel im Leib haben, daß er auf Kampf auszog bei einer Kälte, die einem den Atemhauch am eigenen Schnurrbart festfror.
    Der Himmel war zugezogen, aber hell, und so suchte ich mich anhand der Altane und Taubentürme der Häuser zu orientieren, welche die Mauern von Saint-Denis überragten (unsere Mauern waren höher als ihre). Und bald meinte ich, den Taubenturm zu erkennen, der das Anwesen der Raverie krönte und der, wie ich vermerkt hatte, als ich bei Tagesanbruch ihr Haus in der Rue Tire-Boudin verließ, in kräftigem Rosa bemalt war. In der Annahme nun, daß unweit von dort eine Wendeltreppe oder Stufen von der Mauer hinab auf die Straße führten, schätzte ich, daß ich besagte Mauer etwa hundert Klafter zur Rechten des Stadttors ersteigen müßte.
    Als es Abend wurde, kleideten Miroul und ich uns für die Nacht so warm wie möglich an, wobei wir jedoch darauf achteten, daß unsere Bewegungen nicht eingeschränkt würden. Ich trieb die Vorsicht sogar soweit, unter meinen Wollstutzen Seidenhandschuhe anzulegen, damit meine Finger freies Spiel hätten, was im Kampf unschätzbar war. Aus demselben Grund verzichtete ich auf Kettenhemd und Helm, zog nur eine Wollmütze unter einen großen Hut und nahm als Waffen lediglich Degen und Pistole, von den Dolchen ganz zu schweigen, die ich ohnehin immer rücklings trug.
    Gegen elf Uhr abends kam Tronson, von Kopf bis Fuß in Eisen gepanzert – was etwa war, als nähme man einen Hammer, um eine Fliege zu schnappen, sollte er doch lediglich meine Leiter halten –, und mit furchteinflößender Miene und gedämpfter Stimme berichtete er, daß d’Aumale an der Porte |343| Saint-Denis tausend Mann und zweihundert Berittene versammelt habe (die große Anzahl erschreckte mich derart, daß ich sie lieber nicht glaubte), und wir müßten unverzüglich aufbrechen, weil der Großteil der Truppen erst aus unseren Mauern abmarschieren könne, wenn die Freiwilligen

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