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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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schütze dich!«
    »Gevatter, Ihr habt einen guten Commis«, sagte Tronson, als Mirouls behende Füße sich Stufe um Stufe entfernten, »und wie er sich auskennt mit Leitern, und wie er Euch liebt! Gevatter«, fuhr er fort, indem er meine Hand faßte, »laßt mich Euch umarmen, ehe Ihr geht!«
    Und er tat es auch gleich, wie ein Bär, mit Schulterklopfen und Schmatz auf die Wangen, was mich überraschte und bewegte, denn so großmäulig, geldversessen und beutegierig er auch war, schien er doch ein Herz zu haben.
    Wahrhaftig, Leser, es war, wie Miroul gesagt hatte: Wegen ihrer übermäßigen Länge begann die Leiter unter mir zu schwingen und zu schaukeln, je näher ich der Mitte kam, und zwar so stark und boshaft, als wollte sie mich abwerfen wie ein bockiges Pferd, und ich konnte gar nicht genug barmen, daß Gott mir nicht drei Hände gegeben hatte, um mich an die Holme zu klammern. Unvergeßlich blieb mir dieses Abenteuer bis heute und flößte mir einige Achtung ein vor den armen Kerlen, deren dunkles Los es ist, Mauern zu erklimmen und die Tore »feindlicher« Städte zu öffnen, welche die adligen Kavaliere dann erobern.
    Die Leiter war, Gottlob, nicht zu kurz für die Mauer, doch oben anlangend, empfing mich ein so heftiger Windstoß, daß er mich womöglich von den Holmen gerissen hätte und ich in die Tiefe gestürzt wäre, hätte Miroul mich nicht am Arm gepackt und in die Sicherheit des Wachgangs gehievt, wo ich einen Moment ächzend im Schutz der Brüstung hocken blieb und seltsamerweise, nach einer solchen Anstrengung, von Kopf bis Fuß vor Kälte zitterte.
    »Moussu, ein Schluck Feuerwasser?« fragte Miroul, indem er mir meine Flasche an den Mund hielt und dann selber trank.
    Das tat wohl, wahrhaftig, ich kam wieder zu ruhigem Atem, und nachdem Miroul mit Kreide ein Kreuz auf die Brüstung gemalt hatte, wo die Leiter endete, machte ich mich auf die Suche nach einer Treppe, die zur Stadt hinunterführte, was zur rechten Seite hin vergeblich war, doch fand ich endlich eine zur linken. Miroul bezeichnete deren unterste Stufe wiederum mit einem Kreuz, damit es unseren Rückweg leite, und mit einem seltsamen Gefühl setzte ich den Fuß in das schlummernde und |348| stockdunkle Saint-Denis, als wäre ich ein Eindringling und Feind, während ich doch just dort war, um Saint-Denis vor Gemetzel und Plünderung und für meinen König zu bewahren.
    Es war mehr Glück als Methode, daß wir im Gassengewirr auf die Rue Tire-Boudin trafen, die wir beim ersten Schritt an dem Lichtschein erkannten, den der zwölfarmige Leuchter der Raverie standhaft durchs bunte Fensterglas sandte, wie um zu zeigen, daß man wenigstens in diesem Haus Spiel, Trunk und Liebe dem Schlaf vorzog. Nun war es kein Kunststück mehr, die Straße von Monsieur de Vic zu finden, weil sie parallel davon verlief, und mit wiederholten Schlägen an seine Tür zu klopfen – das einzige Geräusch im nächtlichen Saint-Denis, und es hallte in der stillen Gasse.
    Mir hämmerte das Herz, denn es dünkte mich eine Ewigkeit, bis man im Haus Schritte hörte, dann das Entriegeln des Guckfensters, und als sich dies öffnete und ich meine Blendlaterne hob, sah ich einen Pistolenlauf auf mich gerichtet und dahinter das ängstliche Gesicht eines Dieners, dem ich keine Zeit zu reden ließ.
    »Bursche«, sagte ich, »melde Monsieur de Vic, daß hier der Tuchhändler Coulondre ist und daß es für Stadt und Garnison um Tod und Leben geht.«
    Mit dumpfem Laut schloß sich das Fenster, bis es Minuten später wiederum aufging. Monsieur de Vic, begleitet von mehreren bewaffneten Dienern, erkannte mich und ließ uns ein.
    »Herr Tuchhändler!« sagte Monsieur de Vic aufgebracht, »was wollt Ihr hier? Hatte ich Euch den Zutritt nach Saint-Denis nicht verboten? Was erlaubt Ihr Euch, mich in meinem ersten Schlaf zu stören? Wie seid Ihr überhaupt zum Pariser Tor hereingekommen?«
    Mir verschlug es die Sprache vor soviel redseliger und aufgeblasener Ruppigkeit.
    »Monsieur«, sagte Miroul, da er mich erstarrt sah, mit einer tiefen Verbeugung, »wir sind über Eure Mauer gesprungen, um Euch aufzusuchen.«
    »Wie? Ihr seid über meine Mauer gesprungen?« donnerte Monsieur de Vic, und seine große Nase wurde weiß vor Zorn. »Über meine Mauer gesprungen! Sapperment, das hat Folgen für Euch, das wird mit dem Tod bestraft werden, verlaßt Euch drauf, Herr Tuchhändler!«
    |349| »Der ich nicht bin, Monsieur!« sagte ich kalt, »was ich Euch unter vier Augen beweisen könnte.

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