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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Beute seinen Soldaten und ihm gehöre, worauf die Meute wegen des Schweigegebots einen langgezogenen, dumpfen Laut ausstieß, als käme er aus der Hölle.
    »Gevatter«, raunte Tronson mir ins Ohr, »ich fange an zu bedauern, daß ich versprach, Eure Leiter zu halten.«
    »Hauptmann«, sagte ich, »versprochen ist versprochen. Und wer hindert Euch, wenn ich zurück bin, den Landsknechten in die Stadt zu folgen?«
    »Ihr habt recht!« sagte Tronson, schon lüsternd auf zwiefachen Profit. »Bloß eins, Gevatter«, setzte er hinzu, »daß Ihr mich nicht stundenlang warten laßt!«
    »War das nicht ausgemacht?« sagte ich.
    Inzwischen drehten sich leise die Torflügel in den geölten Angeln, Befehl erging, die Leitern aufzunehmen, und wir faßten die unsere, Miroul hinten, Tronson in der Mitte und ich vorn, damit ich sie an die ausersehene Stelle dirigieren konnte.
    Kaum war das Tor in unglaublichem Schweigen durchschritten, fiel uns der eisige Wind mit einer Schärfe an, wie ich es nie erlebt habe, und mit einer Macht zudem, daß wir kaum vom Fleck kamen mit dieser schwankenden Leiter, die ich ja nur mit einer Hand tragen konnte, weil ich, als der Erste, in der anderen die Blendlaterne trug. Zerrte schon das Gewicht der Leiter schrecklich an meiner Schulter, so noch mehr die Windstöße und unser Stolpern auf dem unebenen, gefrorenen Gelände. Dazu durchfuhr mich schneidend der Gedanke, welch treffliche Zielscheibe ich selbst im abgeblendeten Lichtschein einem Arkebusier bot, der vielleicht in einem Pfefferturm auf den Mauern von Saint-Denis wachte. Und, ehrlich gestanden, ich litt so grausam unter der unmenschlichen Kälte, dem Wind, dem vereisten Boden, der Leiter und unserem holpernden, stolpernden Marsch, daß ich beinahe wünschte, mich träfe ein Schuß, denn verwundete er mich auch, würde er doch wenigstens Monsieur de Vic und die Garnison alarmieren.
    Gütiger Gott, ich flehe dich an, laß mich zur Strafe für meine Sünden, deren größte die des Fleisches ist (und man weiß ja, wie Du die verabscheust), nicht in Höllenewigkeit eine Leiter durch Eisesnacht und Wind schleppen, im Herzen tödliche |346| Angst vor einem Massaker an den Meinen – wobei ich zu hoffen wage, daß die Meinen auch die Deinen sind.
    War schon das Gehen auf gefrorenem Boden nicht bequem, wurde es – mit der starren Leiter zwischen uns – auf dem Glatteis des Grabens geradezu halsbrecherisch. Und als ich nach der Zahl meiner Schritte schätzte, daß wir die für unsere Kletterei vorgesehene Stelle erreicht hatten, gab ich das Zeichen, anzuhalten und uns mit kleinen Schritten der Mauer zu nähern. Auch wenn wir beim Aufrichten der langen Leiter um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätten, schafften wir es, sie anzulegen, aber weil dies nicht ganz lautlos geschehen war, hielten wir erst einmal lauschend inne und strengten unsere Augen an, im Halbdunkel nach der Mauerhöhe zu spähen.
    »Also dann«, sagte ich, da nichts Bedrohliches zu bemerken war.
    »Gevatter«, sagte Tronson leise, indem er den großen Fuß auf die erste Stange setzte, »denkt Ihr an unsere Abmachung?«
    Zähneknirschend, nicht, weil ich mich von guten Talern trennen, sondern weil ich in der schrecklichen Kälte Stulpen und Handschuhe ausziehen mußte, um sie aufzuzählen, erfüllte ich mein Versprechen. Doch das dauerte, und die ganze Zeit horchte ich gespannt auf die kleinsten Geräusche, welche mir meldeten, daß die anderen Freiwilligen ihre Leitern bereits erstiegen, weil sie nicht soweit gegangen waren und ihrem Leiterhalter auch nicht erst Geld auf die Pranke zählen mußten. Am Ende aber konnte ich Tronson für die Verzögerung sogar dankbar sein, denn es herrschte in der eisigen Nacht auch weiterhin Schweigen, was meine Vermutung bekräftigte, daß die Wälle nicht bewacht wurden.
    »Moussu«, flüsterte Miroul, »gebt mir die Laterne, damit ich meine Krampe auf die Mauerkrone werfen kann, sollte die Leiter zu kurz sein.«
    »Ich sehe«, sagte ich leise, »du willst als erster gehen, um als erster eine böse Überraschung abzufangen, falls es sie gibt. Kann ich die Krampe nicht auch werfen?«
    »Mit der Laterne in einer Hand? Moussu, seid Ihr schon einmal auf eine fünf Klafter hohe Leiter gestiegen?«
    »Noch nie.«
    »Na dann! Ihr werdet Eure zwei Hände so nötig brauchen, daß Ihr bedauert, nicht noch eine dritte zu haben – vor allem in |347| der Mitte, wenn die Leiter unter Eurem Gewicht zu schwanken anfängt.«
    »Gut, geh, mein Miroul, und Gott

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