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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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mit den Leitern ihnen das Tor von innen öffneten.
    Als wir an der Porte Saint-Denis anlangten, Tronson in seiner stolzen Panzerung vorneweg, sah ich aus der Nähe, soweit das Halbdunkel es erlaubte, daß der Schreinermeister nicht übertrieben hatte, was die Zahl der Männer betraf, ja daß es vielleicht noch mehr waren, und die gute Hälfte davon Landsknechte. Es schnürte mir das Herz zusammen, kannte man doch ihre ungezügelte Grausamkeit nach dem Kampf ebenso wie ihre kaltblütige Tapferkeit beim Kämpfen. Und wenn die Unternehmung nicht scheiterte, würden sie, war die Stadt erst genommen, kein Halten kennen in Übergriffen auf die unglückseligen Einwohner, ohne übrigens zwischen Ligisten und Royalisten zu unterscheiden, derlei kam ihnen nicht einmal in den Sinn.
    Die Reiterei sah ich indes nicht, und als ich mich halblaut darüber verwunderte, sagte Tronson, man habe sie bis zum Friedhof zurückgezogen, denn wie man den Leuten den Schnabel nicht verbieten könne, so nicht zweihundert Pferden auf einem Haufen, zu wiehern und mit den Hufen zu stampfen, was den Feind vorzeitig alarmieren könnte – dazu lagen seine Mauern zu nah.
    Das Wort »Feind«, von einem Franzosen angewandt auf Franzosen, die zur Stunde friedlich schliefen, ohne zu ahnen, was ihnen drohte: daß ihre Habe geplündert, ihre Frauen und Töchter vor ihren Augen vergewaltigt, ihre Söhne niedergemetzelt, sie selbst gehöhnt und ermordet würden – das, muß ich sagen, trieb mir einen Schauder über den Rücken, zumal ich gesehen hatte, daß Monsieur de Vic seine Mauern ziemlich schlecht bewachte, im Vertrauen auf die kriegerische Tradition, daß man im Winter keinen Kampf begann, weil die Waffen bei großer Kälte schwer zu handhaben waren. Im Vertrauen auch auf seine beträchtliche Garnison, die immerhin fünfhundert Mann und hundert Reiter umfaßte, Zahlen, die dem Chevalier d’Aumale bekannt sein durften, bot er doch, um seinen Erfolg zu sichern, die doppelte Menge auf.
    |344| Tronson nahm Miroul die Blendlaterne aus der Hand, führte uns zum Fuß des Stadttors und zeigte mir die fünf Leitern, die dort im Dunkeln auf dem Pflaster lagen, und flüsterte, wir müßten jetzt nur noch, stumm wie alle hier, auf d’Aumale warten.
    Ha, Leser! Abgesehen einmal von den zwei Tagen und Nächten der Angst 1572 – vor nun fast zwanzig Jahren –, als ich zusammen mit Miroul, Fröhlich und meinem lieben Giacomi vor den Mörderbanden der Bartholomäusnacht durch die Pariser Gassen floh, habe ich wohl keine so quälende Stunde erlebt wie diese in der Nacht des 3. Januar – der gewiß kältesten dieses Winters –, denn zu Reglosigkeit gezwungen, erstarrte man bis ins Mark, die Füße vereisten in den Stiefeln, die Schnurrbärte und Brauen gefroren. Was trotzdem nicht das Schlimmste gewesen wäre, hätte sich zu diesem Ungemach nicht die Bangnis gesellt, die uns in den Knochen saß angesichts dieser tausend Bewaffneten, die auf der engen Grand’ Rue Saint-Denis, wo nur da und dort eine Blendlaterne schwachen Schein gab, Mann bei Mann standen, finster, starr und schweigend, was um so furchtbarer anmutete, weil man sich vorstellen konnte, daß alle ihre Gedanken auf Blut gerichtet waren. So still und stumm sie auch verharrten, war doch ihre düstere Gespanntheit desto mehr zu spüren, mit welcher sie den Wilden Jäger erwarteten, der nun jeden Moment auftauchen mußte, ihre Meute zu entfesseln und auf die Unglücklichen loszulassen, die derzeit in friedlichem Schlaf lagen, ohne zu wissen, daß es ihr letzter sein konnte.
    Die Glocken der Filles-Dieu-Kirche schlugen halb zwölf, und bevor Mitternacht heran war, die von ihm festgesetzte Stunde, erschien der Chevalier d’Aumale. Auf schwarzem Roß, in düsterem Küraß sprengte er allein, ohne Offiziere oder Domestiken im Gefolge, auf den freigelassenen Platz zwischen dem Tor und besagten Bewaffneten und vollführte auf den Pflastersteinen, ohne sich um den Lärm zu scheren, Bewunderung heischend eine Volte vor seinen Truppen, ehe er sie auf das schlummernde Saint-Denis warf. Und, in der Tat, schön war seine schlanke, hohe und kraftvolle Silhouette anzusehen – achtundzwanzig war er derzeit –, und nicht minder schön der Hengst, den er ritt, und ungebärdig, als würden seine Nüstern Feuer schnauben. Und ohne ein Wort wies d’Aumale mit der |345| Rechten nach jenseits der Mauern, wo Saint-Denis lag, und machte mit beiden Händen eine gräßlich grobianische Geste zum Zeichen, daß jene schlafende

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