Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
angehalten, hinter sich den kleinen Pagen.
    »Machst du Witze, Siorac?« fragte Crillon leise, »das soll der König von Navarra sein, ohne Gefolge, nur mit dem kleinen Hopser da und einem einzigen Edelmann, der nicht mal seiner ist?«
    »Wort eines Périgurdiners, er ist es!«
    »Wort eines Provenzalen«, sagte Crillon, »ich falle vor Staunen auf den Arsch. Ha, tapferer Navarra!« fuhr er mit gedämpfter Stimme fort, »gibt sich ganz allein in die Hände Seiner Majestät, so vertrauensvoll, wo sie sich erst gestern noch bekriegt haben! Das ist edel! Das ist groß! Bei Gottes Blut, ich glaube, ich verehre diesen Mann!«
    |38| Daß es Tapferkeit war, wie Crillon meinte, will ich nicht bezweifeln, aber politische Schläue doch auch. Für mein Gefühl wollte Navarra gutmachen, daß er am Vortag Schloß Plessis hatte besetzen lassen, bevor er dem König begegnet war. Und an der Art, wie der König ihn empfing, meinte ich zu erkennen, daß dieser sowohl die Tapferkeit wie die Schläue zu schätzen wußte, denn als erstes schloß er Navarra in die Arme und erwies ihm Vertrauen gegen Vertrauen, indem er seine Leute fortschickte und unverweilt von den Reichsgeschäften zu sprechen begann. Was mich anging, so hockte ich bescheiden in einem Winkel des königlichen Gemachs neben Du Halde auf einer Truhe, doch mit welch freudiger Erregung betrachtete ich meinen geliebten Herrn nach dieser viermonatigen Abwesenheit, wie er da in majestätischer Ruhe auf seinem Lehnstuhl saß und sich in seiner erlesenen Sprache erging, diesmal nicht in Samt gekleidet, sondern in violette Seide, denn es war ein sehr warmer erster Mai. Das Violett trug er in Trauer um Katharina von Medici, die Königinmutter, die kurz nach Guise – aber eines natürlichen Todes – gestorben war und diese Welt der Intrigen verlassen hatte, zu denen sie mehr als jeder andere beigetragen hatte.
    Der violette Satin, der so gut zur matten Haut des Königs stand, war jedoch durch viele Perlen aufgehellt, wie er es liebte. Und wiederum sprang mir in die Augen, was ich schon einmal sagte, nämlich wie grundverschieden er in seiner Sprache, seinen Sitten, in Kleidung und Gewohnheiten, in seinem Glauben und auch seinen mystischen Ängsten war im Gegensatz zu seinem rauhen und ungehobelten Besucher, der ihm in seinem abgewetzten grauen Wams gegenübersaß, was er aber kaum aushielt, so daß man gleichsam sehen konnte, wie seine Muskeln sich in der Anstrengung spannten, still auf seinem Schemel hocken zu bleiben, ein Soldat von Kopf bis Fuß, der stank und sich selten wusch, weil er sich nie die Zeit dazu nahm, es sei denn, daß seine Frauen es verlangten. Und doch, trotz dieser Unterschiede – wie verfeinert, wie italienisch war mein Herr gegen ihn! – konnte man ein tiefes Einverständnis zwischen ihnen nicht verkennen, das auf ihrer beider Friedensliebe und auf der Sorge um ihr Volk beruhte, aber auch auf der hohen Achtung, die einer für den anderen hegte.
    Wobei der König die Liga und das Ausland, welches die |39| Liga mit Geldern und Soldaten unterstützte, um die Rebellion in Gang zu halten, trotz allerdringlichster Gefahren weniger zu fürchten schien als die Exkommunikation, mit der ihn der Papst bedrohte.
    »Ist es nicht ein skandalöser Mißbrauch«, rief er erregt, wie wenn er gleich zu Tagesbeginn loswerden wollte, was ihn über Nacht gequält hatte, »das Zeitliche und das Geistliche derart zu verquicken, daß Vasallen und Untertanen gegen ihren natürlichen Herrscher aufgehetzt und die Grundlagen der politischen Ordnung umgestürzt werden? Wenn man dem Papst das Recht zugesteht, nach seinem Gutdünken zu exkommunizieren, erhebt man ihn zum Gebieter über sämtliche Kronen der Christenheit, dann kann er sie ihren Anwärtern nehmen und sogar ihren Trägern …«
    Ich kürze diese Rede ab, die trotz aller Erregung nicht auf Eleganz verzichtete und die Navarra mit beherrschter Ungeduld anhörte, gleichviel, was er dazu dachte. Dann gab er darauf eine knappe Antwort, so klar und scharfsinnig in ihrer Sicht der Realitäten dieser Welt, daß der König frappiert war und sich sogleich beruhigte.
    »Ach, Sire!« sagte Navarra in seinem okzitanischen Akzent, »das einzige Mittel gegen die drohende Exkommunikation ist, die Liga zu schlagen. Denn, habt Ihr sie erst besiegt, das versichere ich Euch, werdet Ihr Absolution erhalten, und von Exkommunikation wird keine Rede mehr sein.«
    »Das mag wohl sein«, entgegnete der König. »Aber was denkt Ihr, welche Chancen wir

Weitere Kostenlose Bücher