Paris ist eine Messe wert
Sire!« sagte er, »daß ich Euch raten soll, zur Messe zu gehen, das könnt Ihr von mir Hugenotten ja wohl schwerlich erwarten!«
Nach dieser Erklärung, die zur Beruhigung seines Gewissens diente, und nachdem dieses, zumindest verbal, beruhigt war, trug Rosny dem König ebenden Rat vor, den zu geben er sich gerade lautstark geweigert hatte.
»Aber, Sire«, fuhr er mit klarer und entschiedener Stimme fort, »gleichwohl würde ich sagen, daß die Messe das kürzeste, schnellste und leichteste Mittel ist, den üblen Plänen gegen Euch den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn, Sire, und das sei einmal unumwunden ausgesprochen: Ihr werdet in den friedlichen Genuß Eures Reiches nur auf zwei Wegen kommen. Der erste heißt Waffengewalt und erfordert Unduldsamkeit, Strenge und Strafen, was ganz gegen Eure Neigung ist; dazu tausendfache Gefahr, Leiden und Mühsal; ständig müßt Ihr im Sattel sein, im Küraß, die Pistole im Anschlag, und vor allem heißt es dann auch Jagd und Liebe Ade sagen! (Worauf Henri Quatre lächelte) Hingegen, Sire, bedeutet der andere Weg, nämlich Euch in der Religionsfrage dem Willen der großen Mehrheit Eurer Untertanen zu fügen, daß Ihr es nicht ganz so schwer haben werdet, wenigstens nicht in dieser Welt.«
»Und in der anderen?« fragte der König halb ernst, halb scherzend.
»Ha! In der anderen«, sagte Rosny lachend, »da garantiere ich für nichts!«
Der König lachte hell, setzte sich aufrecht und kratzte sich am Kopf, was er immer dann zu tun pflegte, wenn er in seiner Meinung schwankte oder zu schwanken vorgab.
»Alles, was Ihr sagt, ist wahr, mein Freund. Trotzdem gibt es auf beiden Wegen, die Ihr geschildert habt, viele Dornen, die mich gehörig stechen. Denn einerseits drängen mich die Euch bekannten Herren meines Lagers unablässig, katholisch zu werden, und drohen mir, wenn nicht, auf versteckte oder offene Weise, eine dritte Partei zu bilden. Andererseits drohen Turenne, La Trémoille und weitere hugenottische Seigneurs mir großen Widerstand an, wenn ich katholisch werde. Sie würden sogar, sagen sie, auf einer Generalversammlung sich einen Beschützer der reformierten Kirche erwählen, das heißt eine Gegenmacht, die ich nicht dulden könnte. Und müßte ich ihnen |361| den Krieg erklären, so wäre das für mich der größte Schmerz. Denn mein Herz würde es nicht ertragen, denjenigen Leid zuzufügen, die so lange mein Los geteilt und ihr Gut und Leben eingesetzt haben, um das meine zu verteidigen.«
Diese zugleich entschlossene und schlaue Rede – denn im selben Atemzug, wie der König sagte, daß er eine hugenottische Rebellion nicht dulden würde, bezeugte er seinen Religionsbrüdern große Anhänglichkeit –, diese Rede also machte auf Rosny einen unglaublichen Eindruck. Er ergriff die Hände des Königs, küßte sie zu wiederholten Malen unter Tränen (die ihm durchaus nicht so locker flossen wie seinem Herrn), ja, er war so aufgewühlt, daß er seine Sprache nicht gleich wiederfand.
»Sire!« sagte er dann, »ich freue mich von Herzen, daß Ihr gegen Eure Hugenotten so gut gesinnt bleibt. Denn immer war es meine Befürchtung, wenn Ihr die Religion wechseln würdet, was, wie ich wohl einsehe, nicht mehr zu umgehen ist, daß man Euch dann überreden könnte, Eure alten Gefährten zu hassen und zu malträtieren. Nun, Sire, jene von uns, die Euch protestantisch liebten, werden Euch auch katholisch lieben, und sie werden unendlich zahlreicher sein als die paar Aufrührer und Ehrgeizlinge, die dann Zank anstiften wollen. Und die werden wir schnell zur Pflicht rufen, glaubt mir!«
Diese so geschickt provozierte Erklärung uneingeschränkter und bedingungsloser Loyalität befriedigte Seine Majestät voll und ganz, wie ich sah, zumal Rosny bei der protestantischen Umgebung des Königs in hoher Achtung stand.
»Trotzdem, mein Freund«, sagte Henri mit halbem Lächeln auf den üppigen Lippen, indem er Rosny fest in die Augen sah, »trotzdem garantiert Ihr nicht für mein Seelenheil, wenn ich katholisch werde.«
»Ach, Sire!« sagte Rosny, »das war doch Scherz! Ich erachte es im Gegenteil als vollkommen irrig, wenn die Eiferer beider Seiten glauben, daß jeder, der in einer anderen als der eigenen Kirche betet, verdammt ist … Vielmehr meine ich, zu welcher Religion sich einer auch immer bekennt –, wenn er sich darin als Christ bewährt und die zehn Gebote hält, aus ganzem Herzen zu Gott betet, seinen Nächsten liebt und ihm dient, so muß ihm um sein Heil nicht
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