Paris ist eine Messe wert
Volk einzulassen, das ihn in seiner Freude dermaßen bestürmte, daß es beinahe den Tisch umwarf, an dem er speiste. |393| Trotzdem, nach dem letzten Bissen mußte der arme Henri zurück zu seinem Baldachin und seinem Betstuhl in der Kirche und sich aus dem Mund von Monseigneur de Bourges einen ellenlangen Sermon zum Lob der Kirche anhören, in deren Schoß aufgenommen zu werden er ja begehrt hatte – das arme, räudige Lamm, geheilt nun und heimgeführt in die heilige Herde. Hiernach hörte er mit gefalteten Händen die Vesper, ohne die mindeste Ungeduld zu verraten, er, den es im gewöhnlichen Leben keine drei Minuten an einer Stelle hielt. Dann allerdings nahm er Urlaub von den Prälaten, nachdem er sie einen nach dem anderen auf beide Wangen geküßt hatte. Unter dem Vorwand, er wolle jetzt in der Kirche von Montmartre beten, stieg er zu Pferde und stob so schnell davon, daß Monsieur de Rosny und sein Gefolge nicht nachgekommen wären, hätten wir nicht gewußt, wohin sein grimmiger Galopp führte.
Und doch erreichten wir die Kirche von Montmartre erst (an die sich für den König die hübsche Erinnerung an die kleine Nonne knüpfte), als er schon wieder herauskam und vom jubelnden Volk begrüßt wurde, das während seiner kurzen Andacht auf dem Vorplatz Freudenfeuer entzündet hatte.
Und wieder stob der König davon, ohne daß wir diesmal wußten, wohin. Doch ritt er nur bis zur nächstgelegenen Seineschleife, saß ab, entkleidete sich im Handumdrehen, tauchte nackt ins Wasser ein und tummelte sich, glücklich wie ein Schüler, der seinen Lehrmeistern entlaufen ist.
Am grasigen Ufer sammelten sich seine Edelleute und schauten zu, ohne daß sie es wagten, sich zu ihm zu gesellen, und leicht hätte man, allein nach ihrem Gebaren, die katholischen Herren von den hugenottischen Herren unterscheiden können: Die einen schwatzten laut und lachten, die anderen standen stumm, mit langem Gesicht. Einer von diesen näherte sich Rosny.
»Wißt Ihr«, sagte er leise und verdrossen, »was der König da macht?«
»Ihr seht es wie ich: Er schwimmt«, sagte Rosny.
»Nein! Er reinigt sich von seiner Sünde.«
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|394| ZWÖLFTES KAPITEL
An jenem Tag, als der König abschwor, erhielt ich einen Brief vom Verwalter meines Gutes, der mir mitteilte, daß auf Chêne Rogneux die Getreideernte bevorstehe und daß er meine Anweisungen erwarte, wie ich über mein Korn verfügen wolle. Da der Waffenstillstand zwischen Ligisten und Königlichen anhielt und viele Pariser allsonntäglich aus ihren Mauern herbeiströmten, um den König in der Messe zu sehen – sehr zum Mißfallen der »Sechzehn«, des Legaten und des Herzogs von Feria –, schickte ich Miroul in mein Haus in der Rue der Filles-Dieu, damit er Pissebœuf, Poussevent und meine Pferde hole. Als mein Vater hörte, daß ich nach Montfort l’Amaury aufbrechen wolle, schloß er sich mir an, denn er sehnte sich nicht nur, Samson wieder zu umarmen, sondern auch meine kleine Schwester Catherine, die mit Quéribus bei uns weilte. Wie froh war ich über seine Gesellschaft, und auch über die Verstärkung durch seine kleine Eskorte, die der riesenhafte Fröhlich befehligte, mein guter Berner Schweizer, der mich immer wieder an unsere verzweifelte Flucht durch die Pariser Gassen im Morgengrauen der Bartholomäusnacht erinnerte. Nun wollte auch Fogacer, der wie ein Knabe an Angelina hing, mit uns ziehen, was mir nur lieb war, nicht aber Monseigneur Du Perron, der sich bei jedem Furz zwei Fingerbreit vom Tode wähnte und seinen Leibarzt nicht missen mochte. Doch willigte er endlich ein, und ich, daß Fogacer Jeannette mitbrachte.
Obwohl mein Vater zuerst schimpfte, ein Weib gehöre nicht auf eine so gefahrvolle Reise, zeigte er sich von dem hübschen Ding, das zu seinem besonderen Wohlgefallen artig den Schnabel hielt, mehr und mehr angetan und meinte, Fogacer habe spät, aber nicht zu spät, doch einen guten Griff getan.
»Bah!« sagte ich abschätzig, wenngleich im stillen ziemlich amüsiert, »sicherlich sieht sie frisch und ansprechend aus, aber wer weiß, mit welchen Pölsterchen sie ihren Rundungen nachhilft. Um zu wissen, wie sie wirklich ist, müßte man sie in ihrer |395| Blöße sehen. Ich glaube, entkleidet, würde Jeannette Euch enttäuschen.«
»Mein Instinkt sagt mir, daß nicht!« sagte mein Vater.
»Mein Instinkt sagt mir, daß doch!« erwiderte ich lachend.
Kaum saßen wir ab auf Chêne Rogneux, überschwemmte Florine meinen Miroul auch schon mit
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