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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Zeiten, wo das Korn rar und teuer war, waren Räubereien an der Tagesordnung. Und kaum stellten die Schnitter die Garben auf, wurden sie von bewaffneten Banden überfallen und beraubt. Trotz ihrer Anzahl trauten sich die Strolche an uns nicht heran, doch bei Nacht suchten sie mit der Pike in der Hand einen unserer Pachtbauern heim und entführten ihm die noch auf dem Karren gehäuften Garben samt Karren und Gespann. Was ihnen freilich schlecht bekam, denn weil einer der Gäule nur drei Eisen an den Hufen hatte, wurde die Spur verfolgt, der Karren aufgefunden, die Pferde erkannt und die Übeltäter dem Seneschall von Montfort überstellt, der sie an den Galgen schickte. Hierauf beschlossen wir, die gesamte Ernte – meine, die von La Surie und die unserer Pachtbauern – im Hof von Chêne Rogneux hinter festen Mauern vor den Raubzüglern in Sicherheit zu bringen.
    Als das Korn in meinem Hof gedroschen wurde, wünschte Miroul, mit mir zu Pferde die Felder und Wälder von La Surie zu besichtigen, was einen vollen Tag von früh bis spät in Anspruch nahm und wovon wir mit schmerzendem Hintern und zitternden Lenden, aber zufriedenen Herzens zurückkehrten – die Braut war noch schöner als gedacht. Nach dem Abendessen, als ich in dem kleinen Kabinett saß, wo ich die Rechnungsbücher meiner Wirtschaft zu führen pflegte, klopfte es, und hereintrat mein Miroul. Er bat, sich setzen zu dürfen, so kaputt sei er, obgleich er im Kerzenlicht eher strahlend wirkte.
    »Mit Verlaub, Moussu«, sagte er, »wenn Ihr nach Euren Abrechnungen in die Bibliothek hinübergeht, legt Eure Krause an. Der König scheint auf Euch abzufärben. Nie habe ich Euch so nachlässig erlebt.«
    »Bah!« sagte ich, »die Pest über den grausamen Schneider, der diese Plage erfand, im Winter unbequem, im Sommer unerträglich. Aber ich wette, mein Miroul, du bist nicht deswegen hier.«
    |400| »Nein, Moussu«, erwiderte er ernst, »mich beschäftigt eine Frage, die ich Euch vortragen möchte.«
    »Laß hören.«
    »Es ist nur, Moussu«, begann er mit einer bei ihm ungewohnten Scheu, »daß ich mich ein bißchen schäme, es Euch zu sagen, weil Ihr mich vielleicht auslacht.«
    »Beim Ochsenhorn! Erst die Halskrause! Und dann noch Schämen! Laß die Vorreden! Sprich, Miroul!«
    »Nun, Moussu, folgendes: Ist es üblich und ziemlich, wenn man ein Landgut kauft, daß man dessen Namen annimmt?«
    »Mein Miroul«, sagte ich mit gleichem Ernst, obwohl es mich bei diesem Gespräch, das ich schon erwartet hatte, sehr kitzelte im Bauch, »ich weiß nicht, ob es ziemlich ist, üblich aber ist es auf jeden Fall. Willst du drei Beispiele hören?«
    »Nichts wäre mir lieber, Moussu«, sagte Miroul ganz ergeben.
    »Als mein Großvater, Charles Siorac, Apotheker zu Rouen, genug auf der hohen Kante hatte, sich die Mühle von La Volpie zu kaufen, nannte er sich Charles
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Siorac, Herr de la Volpie. Soviel mein Vater über dieses
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auch spottete, übernahm er es gleichwohl. Und obwohl es nicht legitim war, legitimierte er es, als er zum Hauptmann der Normannischen Legion aufstieg.« 1
    »Moussu«, sagte Miroul, der meine Worte mit Augen und Ohren schlürfte, »es geht nicht darum, Miroul mit einem
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zu schmücken, sondern mich Herr de La Surie zu nennen. Darf ich das?«
    »Gewiß darfst du das, Miroul.«
    »Ich möchte nur nicht, daß man über mich lacht.«
    »Das Lachen dauert nicht. Als mein hochgeschätzter Lehrer an der Medizinschule zu Montpellier, der ehrwürdige Doktor Salomon, seinen Weinberg zu Frontignan kaufte, nahm er den Namen des Weinbergs an und nannte sich Monsieur d’Assas. Um ihm aber ständig unter die Nase zu reiben, daß er Marrane 2 war, hießen die Leute ihn boshaft Doktor Salomon, genannt d’Assas. Doch nach und nach entwaffneten seine Wissenschaft |401| und seine Güte die Spötter, und er wurde einfach Monsieur d’Assas.«
    »Ihr erwähntet drei Beispiele, Moussu.«
    »Richtig.«
    »Welches ist das dritte?«
    »Michel de Montaigne.«
    »Was? Er war nicht adlig?«
    »Er wurde es, als er dem Drängen Heinrichs III. nachgab und Bürgermeister von Bordeaux wurde, welchselbiges Amt die Nobilitierung mit sich brachte. Ursprünglich aber war er es nicht. Sein Vater, ein Handelsmann, hieß Eyquem, und als er das Gut Montaigne kaufte, nahm er dessen Namen an und ließ den ›Eyquem‹ fallen, in welchem Vergessen der Sohn ihn denn auch ruhen ließ.«
    »Moussu«, sagte Miroul, der es auf einmal sehr eilig hatte, meine schönen Geschichten seiner Florine

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