Paris ist eine Messe wert
mußte.
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|72| DRITTES KAPITEL
Ich weiß noch, wie mein Vater, als Onkel Sauveterre ihm wieder einmal seinen unkeuschen Lebenswandel vorwarf, sagte, sicherlich müsse man die Frauen nicht lieben, aber wenn man sie liebe, dann ohne Maßen. Das dünkt mich allzu ergeben ausgedrückt und läßt sich bestreiten. Will man dieses Wort aber für bare Münze nehmen, muß man hinzusetzen, daß, wer nicht ganz abstoßend und altersschwach ist, die Frauen auch nicht lieben kann, ohne wiedergeliebt zu werden, so ansteckend ist unser Appetit auf ihr Geschlecht und ihrer auf das unsere.
Ich sage das nicht, um mich reinzuwaschen, wenn ich hier meine Schwächen und die nachfolgenden Gewissensbisse bekenne, die freilich für mein Gefühl eher eine Art Balsam sind, mit welchem man sein haderndes Gewissen besänftigt, damit es einem dann doch die scheinheilige Erlaubnis erteilt, in den liebgewordenen Sünden fortzufahren. Vielmehr möchte ich mit jenem Wort darauf verweisen, wie schwer es einem Mann meines Temperamentes fiel, sich Gottes Gesetzen zu beugen, wo die Gesetze der Natur doch so ungestüm dawider sprachen.
Der Gascogner Cabuche, der unter den Herren Brüdern in der Normannischen Legion Soldat war, bevor er ihr Hausgesinde auf Mespech vermehrte, sagte, als Sauveterre unseren Männern den intimen Umgang mit den Mägden streng verbot: »Beim Ochsenhorn! Darf man das arme Tier derart zügeln?« Ein Satz, der mir immer wieder in den Sinn kam, als ich in Châteaudun mit einer dreimonatigen Abstinenz brach, die mich um so härter gedrückt hatte, als mich ob der täglichen Lebensgefahr der Gedanke nicht losgelassen hatte, ich könnte unerlöst fallen. Und jeder weiß, daß nichts den Drang zur Wollust derart steigert wie der Gedanke an den Tod.
Indessen konnte die schöne Kaufmannswitwe, die zu meiner Bewunderung den ersten Angriff so tapfer geführt hatte und Laden, Ruf und Lustbarkeiten so trefflich unter einen Hut zu bringen wußte, nicht gleicherweise auch der Zeit gebieten. |73| Denn zwei Tage vor Ablauf der kurzen Woche unserer Wonnen verkündete mir Monsieur de Rosny mit ernstem Gesicht und verzerrten Zügen, er habe Nachricht, daß seine Gemahlin auf Burg Rosny im Sterben liege, daß er zu ihr eilen und mich samt meiner nun erweiterten kleinen Suite in seinem Gefolge haben wolle – zumal ich ausgezeichnete Pferde besaß, deren Schnelligkeit ihm von großem Nutzen wäre, um nicht den Ligisten in die Hände zu fallen, welche das Land weitum kontrollierten.
Voll Verdruß und Betrübnis, uns früher trennen zu müssen als gedacht, nahmen meine Wirtin und ich Abschied, sie aber, indem sie zu meinem Erstaunen bitterlich weinte, hatte ich doch geglaubt, sie habe alles im Griff, auch ihre Tränen. Dem war nicht so, denn schluchzend an meinem Halse gestand sie mit erstickter Stimme, daß dieser Abschied sie zerreiße, so stark sei das Band, das unsere Umarmungen in den wenigen Tagen geschmiedet hätten, sie brauche nur, ohne mich auch nur zu sehen, meine Stimme im Hause zu hören, und sogleich fahre ihr ein zugleich unerträglicher und köstlicher Schmerz durch den Leib.
Wie rührten mich diese und ähnliche Worte in ihrer Naivität und Freimütigkeit, zumal ich anfangs überzeugt gewesen war, die schöne Kaufmannswitwe betrachte unseren Handel nur als eine Parenthese in ihrem Leben, weshalb ich die Sache auch mit einer mir ungewohnten Leichtigkeit genommen hatte. Doch da enthüllte ihre Sprache nun zu meiner großen Verwirrung, daß der Appetit sich in Liebe verwandelt hatte. Ich erschrak. Und sosehr es mich auch bekümmerte, den Wonnen Valet zu sagen, womit sie mich genährt, war ich doch gleichzeitig heilfroh, daß der Krieg mich von ihr riß, denn sogar Verwundung oder Tod schienen mir auf einmal besser als die jähe Gefahr, mich an ihrem Leiden anzustecken und meiner Angelina nicht nur körperlich, sondern mit der Seele untreu zu werden.
Während ich auf besagte Weise beschäftigt war, stellte mein Miroul, stolz auf seinen Auftrag, die Mitglieder meiner Suite zusammen. Was leichter war als gedacht, weil der Kampf bei Bonneval, wenn auch siegreich, die Reihen unserer Edelleute gelichtet hatte, so daß mancher Page und Pferdeknecht ohne Obdach, ohne Ernährer durch Châteaudun irrte. Unter diesen Herrenlosen traf Miroul eine gewissenhafte Auswahl, indem er einen jeden ausführlich befragte, sogar den Junker (der, wie ich |74| hinterher erfuhr, andeutete, daß er ein Bastard meines Vaters sei und also mein
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