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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Halbbruder, weshalb er sich mit gewissem Recht als kleinen Adligen betrachten dürfe).
    Als ich Châteaudun verließ, war ich also reicher (oder ärmer) um zwei Pagen, Guilleris und Nicolas; um zwei Knechte, Pissebœuf und Poussevent, die sich meiner Pferde und Waffen annahmen, ohne sich aber entsprechend zu benennen, sie wollten einfach »meine Arkebusiere« bleiben; und zu guter Letzt um einen Junker, Monsieur de Saint-Ange.
    Saint-Ange war schmal, schlank und leichtfüßig, hatte strohblonde Haare, blaue Augen, einen gestutzten Bart und eine Miene wie nicht von dieser Welt, was aber täuschte, denn er focht sehr gut und schoß trefflich mit Pistolen. Und jedesmal, wenn er einen Feind erledigte, bekreuzigte er sich und sprach seufzend: »Gott verzeih mir’s, Bruder, daß ich dich erschlagen mußte.«
    Seinem engelhaften Namen nach hätte er katholisch bis auf die Knochen sein müssen. Er hing jedoch glühend dem hugenottischen Glauben an, der bekanntlich weder Heilige noch Engel kennt, so daß er sogar Anstoß an der Marienmedaille nahm, die er beim Auskleiden auf meiner Brust entdeckte, und sich erst beruhigte, als ich ihm das Wie und Warum erklärte.
    Saint-Ange war noch nicht zwanzig, hatte schöne Aprikosenwangen und soviel Anmut, daß meine Kaufmannswitwe, hätte ich ihn in ihr Haus gebracht, ihre Batterien sicherlich ihm zugewendet hätte, doch hätte die heißblütige Dame diese Mauer vergeblich bestürmt, sie hätte keine Bresche geschlagen. Saint-Ange senkte die Lider, wenn eine Frau nur in seine Nähe kam, und wollte ihn eine ansprechen, zeigte er ihr die kalte Schulter. Oft dachte ich, wie glücklich und stolz Sauveterre über einen solchen Sohn gewesen wäre, hätte Sauveterre es über sich gebracht, sich irgendeinem schönen »unreinen Gefäß« überhaupt so weit zu nähern, um einen Sohn zu zeugen.
    Was Guilleris und Nicolas anging – der erste blond, der zweite braun, Lockenköpfe beide und zusammen keine achtundzwanzig Jahre alt –, so waren sie anfangs zwei unleidliche Strolche, verwegen, frech, großmäulig, diebisch und verlogen, aber, Gott sei Dank, liebte und lenkte Miroul sie mit straffer Hand und machte aus ihnen zwei recht brauchbare Pagen, die trotz aller Umtriebigkeit sehr an mir hingen, mehr freilich an |75| Miroul, der für solche Lausebengel Verständnis hatte, weil er seinerzeit den gleichen Schabernack getrieben hatte.
    Ihr seliger Herr hatte sie in Livreen aus einem Stoff gesteckt, auf dem sich grüne Zweige um weiße Blüten rankten, die ließ ich ihnen, nicht sosehr aus hugenottischer Sparsamkeit, sondern weil sie darin aussahen wie Frühlingswiesen und auch, weil man die kleinen Stromer von weitem erkannte, wenn sie sich zum Aufbruch vertrödelten. Miroul lehrte sie steile Mauern erklettern, Messer werfen und hunderterlei anderes, worin er Meister war, so auch, jemandem flink ein Bein zu stellen, um ihn zu Fall zu bringen. Doch obwohl die beiden sich liebten, zankten sie sich andauernd, knufften, bissen oder prügelten sich wie verrückt, weshalb Miroul ihnen Dolch und Degen nur im Kampf gab, denn ein etwas scharfes Wort, und sie hätten sich totgeschlagen.
    Obwohl wir auf diesem Ritt von Châteaudun nach Rosny an die hundert waren, denn die Edelleute, die wie ich Monsieur de Rosny unterstanden, hatten ebenfalls jeder ihre Suite dabei, und obwohl alle mit Waffen gut ausgestattet waren – sogar eine kleine Kanone führten wir auf einem Karren mit –, nahmen wir möglichst abgelegene Wege, um nicht auf Ligisten zu treffen. Dennoch stießen wir eines Tages auf einen stärkeren Trupp, der uns aufs Geratewohl zusammenzuhauen drohte. Monsieur de Rosny schickte eiligst einen Trompeter aus, um ihrem Hauptmann zu sagen, daß er kein Gefecht wolle, sondern nur Durchlaß, weil seine Frau auf den Tod darniederliege und er ihr in ihren letzten Stunden beistehen wolle. Der Trompeter kehrte mit einem Billett des ligistischen Offiziers zurück, welcher ein Entgelt von tausend Ecus forderte, um uns ohne Belästigung passieren zu lassen. Monsieur de Rosny zahlte, ohne mit der Wimper zu zucken, wollte er doch das Leben keines von uns in einem Kampf aufs Spiel setzen, weil seine Unternehmung reine Privatsache war und nicht Sache des Reiches.
    Auf dem ganzen langen Ritt war Monsieur de Rosny tieftraurig und verschlossen, wie ich ihn nie gekannt hatte. Nun, sein Kummer erreichte den Gipfel, als am Ende der gefährlichen Reise Burg Rosny schon zum Greifen nahe lag und plötzlich die Zugbrücke

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