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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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geregelt und mir, und in gewisser Weise auch sich, auf den Weg zu Ruhm und Wohlstand verholfen zu haben, ging Rosny von dannen und ließ mich mit Miroul allein.
    »Moussu«, sagte der, kaum daß die Tür ins Schloß gefallen war, mit flammenden Augen, »das geht zu weit! Es reichte schon, mit Euch in den Krieg zu ziehen und so lange von meiner Florine getrennt zu leben, aber vor solch einem Drunter und Drüber von sechs Personen unter einem Dach ist für mich Schluß! Mit mir nicht! Ihr wißt, ich habe etwas auf der hohen Kante, das bei einem ehrbaren Juden in Bordeaux Bauch ansetzt. Ich kaufe mir Land und mache mich selbständig, wie ich schon immer wollte.«
    »Ach, mein Miroul!« sagte ich und stellte mich aufgeregt, was ich nicht war, denn er kündigte mir mindestens zum hundertsten Mal, »was wäre ich ohne dich? Du siehst, ich muß mich Rosny fügen, aber ohne deine brüderliche Hilfe? Wenn ich dich am meisten brauche? Und diesmal nicht nur als Freund und Sekretär, sondern als Aufseher meiner Pagen und Majordomus meiner Diener, wobei du die Knechte und Pagen selbst aussuchen müßtest, weil sie ja dir unterstehen würden.«
    »Moussu«, sagte Miroul voll Würde, »wenn Ihr mir die Pagen und Knechte unterstellen wollt, dann sieht die Sache anders aus. Aber was ist mit diesem Scheißjunker? Ein Adliger – wird der mich nicht kujonieren wollen?«
    »Nicht doch«, sagte ich, »der hätte mit dir nichts zu tun, nur mit mir.«
    »Aber«, sagte Miroul, und sein blaues Auge blickte noch zweifelnd und sein braunes betrübt, »so ein wohlgeborenes Herrchen, wenn das dann auf mich herabsieht und mich um meinen Platz in Eurem Vertrauen und Eurer Freundschaft bringt?«
    »Niemals, Miroul!« rief ich, indem ich ihn in die Arme schloß und herzlich seine Wangen küßte, »es ist jetzt einundzwanzig Jahre her, daß ich dich in der Räucherkammer von Mespech entdeckte, wie du einen Schinken stahlst, eine arme Waise, die der Hunger zu Bettelei und Raubzügen zwang! Einundzwanzig Jahre, daß ich dich vorm Galgen rettete und du mich nicht verließest! Und wie oft hast du mir das Leben gerettet? Ich kann es schon nicht mehr zählen! Du bist mein Gefährte Tag für Tag, mehr als meine Angelina! Und da sollte ich |69| mich von dir trennen und dich wegen eines kleinen Junkers verlieren? Ach, Miroul, du kränkst mich, wenn du länger so denkst!«
    »Ha, Moussu!« rief Miroul, »nichts für ungut! Eure liebevolle Zuwendung erleichtert mich völlig. Ich habe Euer Wort und ausdrückliches Versprechen, daß Ihr mir Eure Freundschaft bewahrt, und wenn Ihr’s befehlt, such ich Euch das beschissene Völkchen zusammen.«
    »Aber, Miroul«, sagte ich lachend, »was du selbst aussuchst, darfst du doch nicht im voraus schlechtmachen!«
    Es klopfte an der Tür, und bevor ich hereinrufen konnte, steckte meine Wirtin den Kopf durch die Tür und fragte, ob sie eintreten dürfe. Zustimmend erhob ich mich, und der geschmeidige Miroul machte sich davon, ein Blitzen im blauen Auge.
    »Madame«, sagte ich mit leichter Verneigung, »nicht nur, daß Ihr hier zu Hause seid, erfreut Ihr mich auch durch Euren Besuch.«
    »Ach, Herr Baron, zuviel der Güte!« sagte sie, sehr geschmeichelt, wette ich, daß ich sie »Madame« nannte anstatt »Gevatterin«, wie es Rosny getan hatte, um sie auf ihren Platz zu verweisen, denn wie wir erfahren hatten, war sie einst Kammerjungfer gewesen und von ihrem Herrn in vierter Ehe geheiratet worden, seine drei vorigen Frauen waren im Kindbett gestorben.
    Besagter Herr, ein wohlhabender Kaufmann, hatte ihr also die zwiefache Wohltat erwiesen, sie zur Bürgersfrau und zur reichen Witwe zu machen. Und, tatsächlich, nach dem zu urteilen, was meiner Wirtin an Schönheit geblieben und was beachtlich war, mußte sie in der Jugendblüte ein sehr knuspriger Braten gewesen sein. Vor allem aber hatte sie mit ihrer Erhöhung zur Bürgerin ganz Ton, Manieren, Kleidung und Sprechweise angenommen, die ihrem Stand geziemten, hatte Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt – in welchen Künsten unsere großen Damen sich nicht eben hervortun –, und führte mit strenger Hand Geschäft und Commis.
    Von ihrer Erscheinung her, das muß ich sagen, war sie appetitlich wie eine Frucht, prangend und von – vermutlich – höchster Reife. Wie alt sie war? Zwischen Dreißig und Vierzig, schätze ich, obwohl sie vorgab, von der Bartholomäusnacht nur durch Erzählungen ihres Vaters zu wissen. Was ich stark bezweifelte, |70| denn als ich sie länger

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