Paris ist eine Messe wert
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, sagte ich tonlos, so als gäbe mir das okzitanische Wort den Mut, den nächsten Schlag zu empfangen.
»Während Ihr im Fieber lagt, Moussu, erreichte uns ein Brief aus Montfort l’Amaury, und obwohl er an Euch adressiert war, aber von der Hand meiner Florine geschrieben, nahm ich mir die Freiheit, ihn zu öffnen, weil ich fürchtete, Eurer Frau Gemahlin könnte etwas zugestoßen sein. Gott sei Dank«, fuhr er hastig fort, »ist dem nicht so. Frau Angelina hat meiner Florine den Brief nur diktiert, weil ihr der Daumen geschwollen und steif war von der Gicht.«
»Und was sagt der Brief?« fragte ich, nachdem der Knoten in meiner Kehle sich gelöst hatte.
»So lest selbst, Moussu.«
Den Brief in der linken Hand, überflog ich die ersten Zeilen und sah, daß sie mir den Tod von Larissa vermeldeten. Sosehr diese Nachricht mich auch betrübte, verwunderte mich doch noch mehr die seltsame Koinzidenz, daß Gatte und Gattin zur selben Zeit gestorben waren. Und als ich las, daß Larissa binnen weniger Stunden von einem Gehirnfieber dahingerafft |124| worden war, glaubte ich, es habe sich der verhängnisvolle Schuß, der Giacomi traf, ihrem allzu empfindsamen Gemüt mitgeteilt und sie getötet. Miroul jedoch machte mich aufmerksam, daß der Brief am 11. August datiert und daß Giacomi seiner Verwundung am 13., also erst nach Larissas Tod, erlegen war, und barmherzigerweise, ohne vom Hingang seiner Frau zu wissen.
Zu ihren Lebzeiten hatte ich für Larissa sehr zwiespältige Gefühle gehegt, weil sie meiner Angelina in ihrer leiblichen Hülle so ähnlich war, in ihrem moralischen Wesen aber so anders. Sie waren, wie gesagt, Zwillinge und glichen einander wie zwei Sandkörner in Arabiens Wüsten. Was Augen und Züge, Wuchs und Gang betraf, konnte man sie verwechseln, hätte die Natur Larissas Gesicht nicht mit einem Unterscheidungsmal gezeichnet: Unterhalb des linken Mundwinkels hatte sie eine kleine Warze. Und obwohl diese unter einem Tupfen Schminke verschwand, bereitete der kleine Makel Larissa doch solchen Kummer, daß sie nicht locker ließ, bis die gutmütige Angelina sich ihr zuliebe ein Schönheitsfleckchen an die gleiche Stelle setzte. Wirklich, ich hätte die beiden Schwestern nicht unterscheiden können, hätte der Jesuit Samarcas mich nicht gelehrt, mit dem Finger über diese Mouche zu fahren und zu fühlen, ob sich darunter eine Warze befand.
Dieser frappierenden äußeren Ähnlichkeit zum Trotz, waren die Zwillinge in ihren Seelen jedoch grundverschieden. Dreizehnjährig, wurde Larissa mit einem Pagen in ihrem Bett ertappt, der Vater zückte gegen diesen den Degen, der Page sprang vor Angst aus dem Fenster und brach sich das Genick. Worauf Larissa die Kammerfrau niederstach, die sie verraten hatte, und danach in Zustände verfiel, so daß man glaubte, sie sei vom Satan besessen. Bald wälzte sie sich in Konvulsionen am Boden, schlug und zerkratzte sich und verlor sich stundenlang in gellenden Klagen. Bald löste sie ihre Haare und irrte splitternackt durchs Schloß, stürzte sich entflammten Gesichts auf jeden Mann, den sie traf, ob jung oder alt, und stieß mit rauher Stimme tausenderlei Lüsternheiten hervor.
Monsieur de Montcalm, ihr Vater, ließ sie von einem Kapuziner aus Montpellier exorzieren, was aber mißlang, und damit sie nicht als vom Bösen Besessene bei lebendigem Leib verbrannt würde, sperrte er sie in ein Kloster, aus welchem der Jesuit |125| Samarcas sie als scheinbar geheilt befreite, nachdem er sich ihre Seele im Verlauf der Jahre vollständig unterworfen hatte. Mit dem Einverständnis von Monsieur de Montcalm ließ Samarcas sie nicht mehr von seiner Seite, nicht einmal bei seinen gefährlichen Reisen nach London, wo dieser unerbittliche Ligist und Komplotteur sich in seinen Netzen schließlich selbst verfing, von Elisabeths Richtern zum Tode verurteilt und als Teilnehmer der Babington-Verschwörung auf öffentlichem Platz hingerichtet wurde. Dies geschah, während ich im Gefolge des Pomponne Pompös in London weilte. Und die Königin, über die Geheimbotschaft, die ich ihr von meinem Herrn übermittelte, hoch erfreut, entließ zu meiner Belohnung Larissa aus dem Kerker, in welchem sie als Komplizin von Samarcas schmachtete, so daß ich sie heimführen konnte nach Frankreich, wo der Waffenmeister Giacomi, der sie seit langem liebte, zu seiner Frau nahm.
Ehrlich gestanden, erleichterte mich diese Eheschließung sehr, weil sie das Unbehagen über meinen zweideutigen Umgang mit
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