Paris ist eine Messe wert
Elisabeth nach London geschickt hatte, um dieser eine geheime (der des Gesandten entgegengesetzte) Botschaft zu übermitteln – bat er mich, einen Brief Navarras an dieselbe Fürstin zu übersetzen, worin der König sie als seine »sehr teure und vielgeliebte Schwester und Kusine« ansprach, mit welcher er »das Leid über die Ermordung des hingeschiedenen Königs teile«, überdies wolle er »für die Fortsetzung und engere Verbindung einer guten und sicheren Freundschaft und Einvernehmlichkeit zwischen Ihr und ihm wirken zum guten Gedeihen ihrer beider Geschäfte.«
Sogleich diktierte ich auf englisch dieses Sendschreiben, dessen Absicht ich noch besser verstand, als Rosny mir mitteilte, daß der König die Belagerung seiner Hauptstadt mangels hinreichender Truppenstärke in Kürze abbrechen müsse und, sobald er den Leichnam des Königs nach Compiègne übergeführt habe, sich mit seinen Männern nach Dieppe zurückziehen werde, sowohl um sich gegen Mayenne zu wappnen, der |120| eine gewaltige Armee gegen ihn zusammenzog, als auch, um seine Verbindungen zu Elisabeth zu nützen, damit sie ihm Gelder und Beistand sende. Schließlich hatte die Königin von England das größte Interesse, daß Heinrich IV. den Angriffen der Liga und des Spaniers Philipps II. nicht erliege, weil sie genau wußte, daß sie das nächste Opfer in diesem mörderischen Kampf des Papismus gegen das »Ketzertum« sein würde.
Monsieur de Rosny war im Begriff zu gehen, als ich ihn fragte, warum er dem König am 3. August nicht geraten hatte zu konvertieren, denn ich wußte ja, daß Rosny, ein so entschiedener Hugenotte er selbst auch war, die Bekehrung des Souveräns doch befürwortete, einfach weil ein hugenottischer Fürst eine »unendliche Mehrheit« von Katholiken unmöglich regieren könne.
»Dafür ist es zu früh!« sagte Rosny. »Der König ist noch zu schwach. Würde er jetzt abschwören, verlöre er höchst wahrscheinlich seine Partei, ohne gewiß zu sein, daß er die andere gewinnt! Erinnert Euch, Siorac, wie die Ligisten die Religion des seligen Königs, der nun wahrlich sehr fromm war, in Zweifel zogen, nur weil er die Ausrottung seiner reformierten Untertanen mit Feuer und Schwert ablehnte. Ein katholischer Navarra hätte es noch viel schwerer! Niemals wäre er katholisch genug! Diese Aufrührer, denen die Religion nur als Vorwand zur Rebellion dient, sagen jetzt heuchlerisch: ›Wenn er wenigstens Katholik wäre‹! Aber, bekehrt er sich, sagen sie morgen: ›Wenn er wenigstens ein guter Katholik wäre!‹ Und übermorgen sagen sie bestimmt: ›Was hat es ihn schon gekostet, zur Messe zu gehen! Er konvertiert ja erst zum sechsten Mal! Ach, hätte Navarra doch nur einen Funken Religion!‹«
»Hat er einen?« fragte ich.
Worauf Rosny mich verdattert aus blauen Augen ansah.
»Und Ihr, Baron von Siorac, habt Ihr einen?«
»Doch, doch!« beteuerte ich eilig.
»Trotzdem«, sagte Rosny, »um dem seligen König zu dienen, hattet Ihr keine Skrupel, die ›Segel zu streichen‹ und Papist zu werden.«
»Nur mit dem Mund«, sagte ich.
»Und was für eine Art Religion ist das«, fragte Rosny, »die nur der Mund bekennt und die das Herz verneint?«
»Ich verstehe«, sagte ich, »nur fürchte ich, Ihr versteht mich |121| nicht. Gewiß höre ich die Messe nur auf einem Ohr und beichte nur auf einer Backe, aber deshalb bin ich kein Zweifler. Ich glaube an Christus jenseits beider Kirchen.«
»Ha!« sagte Rosny, »ich sehe schon: Ihr denkt, es steht Euch frei, Euer Heil in der einen Religion so gut wie in der anderen zu finden!«
»Ja, genau das glaube ich. Was schert mich letzten Endes die Form des Kults, wo es nur auf Gott ankommt.«
»Nun, Siorac«, sagte Monsieur de Rosny mit sieghaftem Lächeln, »es sollte mich sehr wundern, wenn Navarra Eure Ansicht nicht im stillen teilte. Was ihm«, setzte er mit einem Anflug von Spott hinzu, »die Dinge erleichtern wird, wenn es soweit ist.«
»Werdet Ihr ihm auf dem Weg folgen?« fragte ich.
»Nein«, sagte Rosny, »niemand fordert von mir ein solches Opfer, ich habe ja nicht ein Volk zu befrieden und ein Reich wieder herzustellen.«
Er hielt Wort. Auch später, zum Herzog und Pair von Sully ernannt, nach dem König der zweite Mann im Staat und bekanntlich ein großer Minister, hielt er an seinem hugenottischen Glauben fest. Weshalb ihm – als einzigem Herzog und Pair – auch nie der Heilig-Geist-Orden verliehen werden konnte. Was seine Eitelkeit derart grätzte, daß er sich
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