Paris ist eine Messe wert
Pappkönig doch wohlbewahrt und wohlbewacht in seinem goldenen Kerker.
Wie man sich denken kann, versäumte Quéribus nicht, sich über seine Heldentaten in der Schlacht vor Dieppe zu verbreiten; und mochte er auch weidlich übertreiben, sträubten sich mir doch die Schnurrbartspitzen und zuckte mir das Schwert in der Scheide.
»Bei Sankt Antons Bauch!« rief mein Vater, dem ich den Brief vorlas, »hört sich das nicht an, als hätte Quéribus die Tapferkeit erfunden! So ein Fant! Das Bübchen nuckelte noch bei seiner Amme, als ich, im Wasser bis zur Brust, die Engländer aus Calais verjagte!«
In so gereizter Stimmung erreichte uns, an meinen Vater und mich adressiert, ein knappes und entschiedenes Wort von Monsieur de Rosny. Wenn des einen Bein und des anderen Arm geheilt seien, sagte er, wolle der König uns alsbald wieder an seiner Seite sehen. Wie von seinem gesamten guten Adel erwarte er, daß wir ihm so viele Männer zuführten, wie wir könnten, und obendrein Gelder mitbrächten, die er sehr nötig hätte. Wenn wir etwa Wald zu schlagen und zu verkaufen hätten, sollten wir es um Himmels Willen tun, denn der König müsse |151| seine Schweizer, sein Pulver, die Kanonen und die Verpflegung seiner Truppen bezahlen.
Nun verhüte Gott, daß der Baron von Mespech seine schönen Kastanienwälder geschlagen hätte, doch machten wir mit unser beider Gefolge einen Umweg über Bordeaux, wo mein Vater viertausend Ecus abhob, die er vor Jahren einem ehrlichen Juden zu gutem Zins anvertraut hatte, denn bekanntlich war der Geldhandel den Christen beider Kirchen als schmähliche Sünde verboten.
Dieser Umweg kostete Zeit, wir sahen uns aber zu weiterer Verspätung gezwungen, weil wir mit unseren fünfundzwanzig Berittenen äußerst vorsichtig reisen mußten, um nicht in die Fänge einer der zahllosen gesetzlosen Banden zu geraten, die das Land unsicher machten – schließlich sollten die kostbaren Taler, die mein Vater dem König brachte, nicht für Lösegelder draufgehen. Endlich in Tours angelangt, dem Sitz der königlichen Verwaltung, rasteten wir eine Woche, um unsere Kräfte aufzufrischen, denn jetzt stand uns das Schwierigste bevor, nämlich das königliche Heer zu suchen, von dem niemand in Tours wußte, wo genau es sich befand. Die einen meinten, in Poissy, die anderen, in Meulan, und wieder andere, in Evreux. Und so begann der bei weitem gefährlichste Teil unserer Reise, denn Mayenne, das wußten wir, wollte dem König die Niederlage mit einer starken Armee heimzahlen, und wenn nun am Horizont Reiter auftauchten, konnten wir Freund und Feind nur unterscheiden, indem wir uns nahe genug heranpirschten, bis wir erkannten, ob sie am Helm das Lothringer Kreuz trugen. Welchen Falls wir mit verhängten Zügeln davonstoben, oft verfolgt, aber, Gottlob, nie eingeholt dank unserer schnellen Pferde.
Einmal jedoch nahmen wir drei vereinzelte Reiter gefangen, die wir beim Fourragieren antrafen, konnten ihnen aber nicht mehr aus der Nase ziehen, als daß sie Flamen von der Truppe des Grafen Egmont waren, die Philipp II. aus Flandern zu Mayennes Verstärkung entsandt hatte. Die Ärmsten glaubten sich schon tot, doch mein Vater befahl, ihnen Pulver und Kugeln abzunehmen, dann ließ er sie laufen, und wir setzten unsere Irrfahrt fort. In der Nähe von Evreux sagte uns ein Ackersmann, der König habe die Stadt, hart von Mayenne bedrängt, vor zehn Tagen verlassen und müßte inzwischen in Nonancourt sein, wo wir ihn tatsächlich am 12. März zu unserer großen Freude und |152| Erleichterung fanden, voll beschäftigt, neue Schlachtenpläne und Schlachtordnungen aufzustellen. Doch keine Spur von Monsieur de Rosny, obwohl er mit seiner Kompanie von Stunde zu Stunde zurückerwartet wurde. Der König, der an diesem Tag unermüdlich im Gange war, so daß man nirgends hinkommen konnte, ohne auf ihn zu treffen, beschied am Abend seine Hauptleute zu sich und erklärte ihnen kurz und knapp, daß er jetzt seinem hugenottischen Kult gemäß beten gehe, diejenigen von der anderen Religion sollten sich an ihre Statt begeben. So gern ich mein Vaterunser mit dem seinen auch vereinigt hätte, mußte ich als Papist doch eine Kirche aufsuchen, fand aber zu meiner Verblüffung alle voll mit Fürsten, Adligen und Soldaten, so daß ich jedesmal der Überfüllung weichen mußte, bis ich in eine weiter abgelegene endlich hineinkam. Wiewohl von meinem Naturell her kein großer Freund der Andacht, betete ich dort mit aller mir möglichen Sammlung
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