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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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über die Niederlage meines Königs und voll Bangen um sein Leben, gab ich indessen auch für meines nicht viel, denn ohne Degen, ohne Pistole war ich auf Gedeih und Verderb den Bauern ausgeliefert, die bei einfallender Dunkelheit kommen würden, die Toten und Verwundeten zu plündern und die noch Lebenden kurzerhand zu erdrosseln, war es ihnen doch eine Genugtuung, den Edelleuten, die ihre Felder verwüsteten, den Garaus zu machen.
    Als ich meinen Helm abnahm, weil mich mein Schädel sehr schmerzte, tastete ich diesen vorsichtig mit den Fingerspitzen ab, und fühlte Kiesel in meinen Haaren und im Gesicht eine lange Bahn getrockneten Bluts. Ich sagte mir, daß dies wohl von einem schweren Hieb mit einem Kurzschwert herrührte, das mich von hinten getroffen hatte, daher mein Sturz und meine Ohnmacht, und daß ich weiter nicht verwundet wäre, auch wenn mein ganzer Körper schmerzte, weil ich beim Sturz aus den Steigbügeln auf den harten Acker geschlagen war.
    Mein erster Gedanke war, nach einer Waffe zu suchen, ich ließ meine Augen schweifen, die nach der anfänglichen Trübung allmählich klarer sahen. Und so begriff ich erst, daß ich inmitten eines Haufens toter oder verendender Pferde und Reiter lag, die aber auch nicht mehr taugten und deren Blut erbarmungslos den Acker düngte, der gewiß noch in Hunderten und aber Hunderten von Jahren Leben und Korn tragen würde, wenn sogar jede Erinnerung an diese erbitterte Schlacht für alle Zeit versunken wäre.
    Die Sonne stand schon hoch, und die toten Pferde begannen zu stinken, es war dieser eigene Gestank, zugleich fade, süßlich und atemverschlagend. Endlich fand ich eine Pike, die der Hand eines Wallonen entglitten war, seine Beine waren unter seinem Roß eingequetscht, und er verdämmerte, in der Brust |157| ein rotes, talergroßes Loch, aus dem jedesmal, wenn er Luft holte, ein kleiner Blutstrahl schoß. Ich konnte nichts tun für den Unglücklichen, der auf Spaniens Befehl aus seinen Niederlanden nach Frankreich gekommen war, um für eine ihm völlig fremde Sache zu sterben. Als er sah, daß ich seine Pike nahm, glaubte er wohl meinem Helm nach, ich würde ihm den Rest geben, und schloß die Augen, wobei seine Lippen schrecklich zu zittern anfingen, daß es mir ins Herz schnitt. Aber nicht einmal Wasser konnte ich ihm geben, weil ich meine Feldflasche verloren hatte, ja nicht einmal ein gutes Wort sagen, denn wie ich seine Sprache nicht verstand, verstand er nicht meine.
    Mit der wallonischen Pike in der Hand fühlte ich mich etwas sicherer, auch wenn ich infolge meines Sturzes noch reichlich taumelte und wankte, als ich mich von besagtem Haufen aus Mensch und Tier fortbewegte, weil der Gestank unerträglich war. Auf einmal erblickte ich ungefähr zweihundert Klafter vor mir, allein auf weiter Flur, einen großen Birnbaum, dessen dichte Zweige bis zur Erde niederhingen. Und ich trottete darauf zu in der unsinnigen Hoffnung (meinen Verstand hatte ich eben noch nicht wieder beisammen), Durst und Hunger mit seinen Früchten zu stillen, dabei hatten wir erst März.
    Doch als ich mich besagtem Baum auf etwa hundert Klafter näherte, indem ich die Pike hinter mir her schleifte, so schwer schien sie mir, sah ich ein Schauspiel, das mich an Ort und Stelle bannte. Ein Reiter ohne Pferd von den Königlichen (was ich nur an seinen Kleidern erkannte, sein Gesicht war blutverschmiert) floh humpelnd und ohne jede Waffe vor einem Reiter mit schwarzem Helm, der die Lothringer Kreuze der Guisarden zeigte, und dieser verfolgte den ersten zu Pferde und einen Stoßdegen in der Faust, indem er aus vollem Hals brüllte, er werde diese »Ketzerbrut« auslöschen! Worauf der arme Königliche, ohne Waffe, verwundet und zu Fuß, keine andere Erwiderung wußte, als stolpernd und strauchelnd zu besagtem Birnbaum zu flüchten und unter seinen tief hängenden Zweigen Schutz zu suchen. Worauf der Verfolger nun rund um den Baum kreiste und mit seiner Waffenspitze ganz vergebens immerzu ins Gezweige stieß, obwohl mir schien, daß er sein Ziel besser erreicht hätte, wäre er aus dem Sattel gesprungen. Also eilte ich, soweit es meine armen Beine zuließen, auf den wilden Guisarden zu und schrie, um seine Aufmerksamkeit abzulenken, ich |158| würde ihn aufspießen. Der Kerl hielt in seinem verrückten Kreislauf inne, galoppierte mit gezückter Waffe auf mich zu, doch als ich mich breitbeinig, mit gesenkter Pike hinstellte und ihn entschlossenen Gesichts erwartete, schwenkte er wenige Schritt

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