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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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für meinen Vater, für Angelinas Genesung, für meine Kinder und mein Seelenheil.
     
    Henri – denn das sei hier endlich gesagt, daß wir unseren König Heinrich IV. untereinander meistens bei seinem Taufnamen nannten –, Henri also stellte sein Heer zwischen den Dörfern Boussey und Lente auf, aber weiß der Teufel, wieso das darauffolgende Scharmützel später die Schlacht von Ivry genannt wurde, es sei denn, weil Mayenne in der Frühe des 14. März in jenem Marktflecken den Fluß Eure überschritt und den Ort wenige Stunden danach als Besiegter passierte. Was nun diesen großen Sieg des Königs über die Liga betrifft, so wollte ich, weil ich ja mitten im Getümmel stak, Schläge austeilte und empfing, ohne irgend zu begreifen, was vor sich ging, mich nachträglich durch die Berichte der Chronisten hierüber schlau machen, doch fand ich die Ereignisse jeweils so wirr und widersprüchlich dargestellt, daß ich bis heute nicht klüger bin. Ich begnüge mich also damit, und möge auch der Leser sich mit der Feststellung begnügen, daß der große Sieg von Ivry ein Buch mit sieben Siegeln bleibt, angefangen bei seinem Namen. Alles, was ich weiß (und das aus dem Mund des Königs), ist, daß Mayennes Kavallerie nach mehreren wütenden Angriffen, die uns in große Gefahr brachten, plötzlich in Panik geriet und Fersengeld gab, so daß seine Infanterie in der Klemme saß, teils sich ergab und teils zusammengehauen wurde.
    |153| Wenigstens soviel ist sicher: Im Gegensatz zu allen Aussprüchen, die Henri untergeschoben wurden – so der berühmte: »Paris ist eine Messe wert«, den er nie und nimmer getan hat – , stimmt es, daß er am 14. März um zehn Uhr morgens, bevor er zum Angriff überging, im Kreis seiner Adligen sagte: »Meine Kameraden, wenn Ihr die Feldzeichen nicht mehr seht, haltet Euch an meinen weißen Federbusch, Ihr findet ihn auf dem Weg des Sieges und der Ehre!«
    Diese Worte habe ich selbst gehört, mit diesen meinen Ohren, und den weißen Federbusch – die einzige kostspielige Zier eines in seiner Kleidung höchst bescheidenen Königs – sah ich mehr als einmal auf seinem Haupt. Und weil ich, wie der Leser weiß, für Schmuck ein Auge habe, stellte ich fest, daß ein weißer Amethyst die Federn zusammenhielt, den etwa ein Dutzend Perlen umkränzten: ein Luxus, der mich bei einem Fürsten, dessen Wams abgewetzt war bis auf den Kettfaden und der in zerrissenem Hemd Schlagball spielte, dermaßen verwunderte, daß ich Monsieur de Rosny ein paar Tage nach Ivry fragte, wie Seine Majestät sich derlei leisten könne.
    »Ha!« sagte Rosny mit grollender Miene, »das Geld habe ich ihm vorgestreckt! Hundert Ecus! Sankt Grises Bauch, zwei Jahre ist das jetzt her! Euer König hat schöne Agraffen geliebt, meiner liebt Federbüsche!«
    »Euer König ist auch mein König«, sagte ich pikiert.
    »Gewiß, gewiß!« sagte Rosny und lachte, daß seine hellen Augen sprühten. »Es ist auch Euer König, mein Freund, nur nicht sein Federbusch, denn den hat er mir bis heute nicht bezahlt!«
    Henri hatte meinen Vater um sich haben wollen, so kam es, daß ich die fünfundzwanzig Berittenen unserer Eskorte allein anführte und mich auf Henris Befehl der Kompanie von Rosny anschloß, die um halb neun Uhr morgens antrat und die der König seiner Schwadron einfügte.
    Mir trocknete der Speichel im Mund, als in leichtem Trab eine Schwadron Deutschreiter auf uns zuhielt, und als nun Befehl erging, ihnen entgegenzutraben, packte ich meinen Stoßdegen fester und nahm die Zügel in die linke Hand, die zu meiner größten Verlegenheit und Schande anfing zu zittern. Zum Glück entsann ich mich aber, daß mir Rosny vom König erzählt hatte – dem tapfersten Mann überhaupt –, ihn komme jedesmal im letzten |154| Moment vor dem Kampf ein unaufhaltsamer Durchfall an, sosehr er sich auch über sich selbst lustig machte und auf seinem Stuhl, mit Hinsicht auf die Feinde, in seiner derben und unverblümten Art sagte: »Freunde, denen werd ich was scheißen!« Jenes erhabene Vorbild im Sinn, sagte ich mir, daß ich mich wegen dieser Zitterei nicht zu schämen brauchte, daß es das Tier in mir war, das sich vor der Gefahr sträubte, und daß Herz und Mut sich im Handeln erwiesen, nicht vorher. Von solchem Denken gestärkt, schöpfte ich frischen Atem, spannte die Muskeln und erwartete fast ungeduldig die Berührung mit dem Feind.
    Zu welcher es nicht kam. Denn die Deutschreiter, die schon Galopp ritten zu sichtlich wütendem Angriff,

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