Paris ist eine Messe wert
vor mir seitwärts, wendete und ritt davon, und wie ich nun sah, mit einer bösen Wunde im Gesäß, aus welcher das Blut nur so strömte.
Ob ich dem Angriff des Wüterichs wirklich hätte standhalten können, wer weiß, denn sowie er davonstob, fiel mir die Pike aus der starren Hand, und nicht sehr soldatisch schleifte ich sie abermals nach bis zum Birnbaum. Doch kaum hatte ich einen Ast ergriffen, um mir einen Weg in das Innere zu bahnen, hörte ich eine Stimme, die mir nicht unbekannt vorkam und die trotz ihrer Schwäche bedrohlich klingen wollte.
»Kommt nicht näher! Ich habe eine Pistole! Wer seid Ihr?«
»Frankreich und Navarra.«
»Euer Name?«
»Baron von Siorac.«
»Ha! Siorac! Siorac! In welch jammervollem Zustand werdet Ihr mich erblicken«, sagte die Stimme von Rosny. Und als ich durch die dichten Zweige drang und ihn am Stamm lehnen sah, ohne daß ich ihn in die Arme zu schließen wagte, so blutig und schmerzbeladen schien er mir, fuhr er fort: »Und wie jammervoll ist es um Frankreich bestellt! Ha, Siorac! Ich fürchte, wir haben die Schlacht verloren. Und wir können noch von Glück sagen, wenn Gott uns den König erhält! Seht Ihr eine lebende Seele?«
»Nur Tote und verendende Pferde.«
»Habt Ihr eine Waffe?«
»Nur die Pike hier, die ich kaum schleppen kann.«
»Und ich«, sagte Rosny, »die Pistole hier, aber ohne Kugeln und Pulver. Dafür«, setzte er mit einem Anflug seines alten ironischen Lachens hinzu, »bin ich reich an Wunden: die halbe Wade kaputt durch einen Lanzenstoß, die linke Hand durch einen Schwerthieb, ein Pistolenschuß in der Lende, der mir zum Bauchnabel wieder herauskam, davon noch eine Kugel im Oberschenkel und ein Schwerthieb auf den Kopf, nicht schwer, aber ich blutete wie ein Schwein. Das überlebe ich«, sagte er mit seiner gewohnten Überheblichkeit, »aber nur, wenn ich ein Pferd finde. Ha, Siorac, Siorac! meine Baronie für ein Pferd!«
|159| »Bah, Monsieur de Rosny!« sagte ich, »Eure Baronie! Ich bin gut genug zu Fuß, Euch ein Pferd herbeizuschaffen, doch in aller dienstbaren Freundschaft und Treue, nehmt Ihr solange meine Pike und beliebt, mir Eure Pistole zu geben. Sie wird mir dienlicher sein als Euch, weil ich noch Kugeln und Pulver habe.«
»Siorac«, sagte Rosny ernst, indem er leicht den Kopf neigte, »das vergesse ich Euch nicht.«
Nun, er vergaß es, oder vielmehr sprach er nie zu irgend jemandem darüber, nicht einmal mehr zu mir, noch erwähnte er in seinen Memoiren, daß ich jenen Kerl mit meiner Pike vertrieb, der seinen Birnbaum umrundet hatte, obwohl er diesen Birnbaum seither so vielen Leuten gezeigt hat, daß der schöne Baum geradezu eine Berühmtheit in den Annalen dieses Krieges geworden ist. Ach ja, Monsieur de Rosny dünkte sich schon zu hochstehend, um sein Leben einem anderen als sich selbst zu verdanken, und glaubte seinen Ruhm und seine Tapferkeit zu schmälern, wenn er zugegeben hätte, daß ein Edelmann ihm half zu überleben. Nun, ich fand auf dem Gelände wahrhaftig ein Pferd, eine Stute, sogar mit prächtigem Zaumzeug, die ich mehr verängstigt als leidend aus einem Haufen von Toten zog. Leichter als befürchtet saß ich auf und kehrte zurück zu besagtem Birnbaum, der in der Geschichte dieser Schlacht so berühmt wurde, weil Monsieur de Rosny
urbi et orbi
seinen Ruhm mit Fanfarenstößen verkündete, und fand Rosny – o Wunder! –, wenn auch reichlich wankend, so doch bereits auf einem stämmigen Gaul sitzend. Er hatte ihn, wie er sagte, einem gewissen La Roche-Forêt, der an seinem Unterschlupf vorübergezogen kam, für fünfzig Ecus abgekauft, pflegte doch Rosny, wie der Leser weiß, nie ohne Geld in der Tasche in einen Kampf zu gehen. Freilich beäugte er meine schöne Stute mit dem prächtigen Zaumzeug nun mit scheelem Blick, woraus ich ersah, daß er sie begehrte, doch ohne es rundheraus zu sagen. So gab ich ihm denn seine, nun geladene, Pistole wieder, nahm meine Pike und trabte als seine einzige Eskorte hinter seinem Gaul her, wohin, das schien er selbst nicht zu wissen.
Wie wir so kreuz und quer übers Schlachtfeld zogen, Rosny, dem das Blut aus allen Wunden sickerte, und ich, im Kopf noch so benebelt, daß ich keine zwei Gedanken auf einmal fassen |160| konnte, sahen wir auf einmal in langem Gänsemarsch mindestens sieben Herren uns entgegenkommen, am Helm und am schwarzen Kasack die silbernen Lothringer Kreuze, einer hielt in der Linken sogar das weiße Banner Mayennes. Und obwohl sie in ebenso
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